Probleme auf dem Weg zur Inklusion
Seit Sommer 2011 gilt an Bayerns Schulen das Prinzip der Inklusion: Behinderte Kinder sollen wenn möglich am ganz normalen Unterricht in den Regelschulen teilnehmen können. Dass dieses im Landtag einstimmig beschlossene und auf einer Konvention der Vereinten Nationen basierende Prinzip nicht nur ein paar Umbaumaßnahmen an Schulgebäuden, sondern wohl auch ein Umdenken in der Konzeption des Unterrichts nach sich ziehen muss, zeigte vergangene Woche eine Expertenanhörung im Landtag.
Dabei ging es um die künftige Rolle der sogenannten Schulbegleiter an Bayerns Schulen. Diese von den Bezirken oder der örtlichen Jugendhilfe bezahlten Kräfte helfen behinderten Schülern auf dem Schulweg und im Unterricht bei der Alltagsbewältigung – und zwar individuell je einem einzelnen Schüler nach dessen persönlichen Bedürfnissen.
Kosten haben sich innerhalb eines Jahres verdoppelt
Nach Angaben der kommunalen Spitzenverbände gibt es derzeit in Bayern rund 2700 Schulbegleiter – etwa 1900 an Förderschulen und gut 800 an Regelschulen wie Grundschulen, Mittelschulen oder Gymnasien. Die Kosten liegen bei 50 Millionen Euro pro Jahr. Und der Bedarf steigt offenbar rapide: Noch 2009 habe es nur 1470 Schulbegleiter in Bayern gegeben, sagte Julius Forster vom Bayerischen Städtetag: „Und was uns wirklich Sorgen macht, ist, dass sich die Kosten binnen eines Jahres verdoppelt haben.“
Die Inklusion ist bei diesem Anstieg allerdings nur einer von mehreren Faktoren, heißt es aus dem Kultusministerium: „Die Bedürfnisse steigen durch Veränderungen in der Gesellschaft“, erklärte die Ministerialbeamtin Tanja Götz im Landtag. Es sei insgesamt ein „erhöhter individueller Förderbedarf“ an den Schulen festzustellen. Es gebe auch „sehr viele verhaltensauffällige Kinder“.
Zweiteilung der Aufgaben macht es nicht einfacher
Ob dieser doppelten Herausforderung – erhöhter Einzelförderbedarf plus Gebot der Inklusion – mit den althergebrachten Mitteln allein beizukommen ist, bezweifelten viele der Experten. Zumal die derzeit gültige Zweiteilung der Aufgaben und finanziellen Lasten zwischen pädagogischem Bereich (Freistaat) und sozialen Hilfen (Bezirke und Kommunen) eine sachgerechte Lösung nicht gerade leichter macht.
Auch Schulbegleiter könnten deshalb nur „Türöffner“ und eine „Übergangslösung“ auf dem Weg zur Inklusion sein, warnte etwa Wolfgang Dworschak, Experte für Behindertenpädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nicht nur die kommunalen Spitzenverbände sehen das Kultusministerium in der Pflicht: Schulbegleitung in der derzeit praktizierten Art sei „eine Art Billiglösung ohne fachliche Ansprüche“, kritisiert etwa der Behindertenverband Lebenshilfe. Soll Inklusion dauerhaft gelingen, seien aber pädagogische Zweitkräfte in den Klassen und auch mehr sonderpädagogische Expertise nötig – zumindest mittelfristig. Individuelle Schulbegleiter werde es zwar weiterhin geben, aber nur noch in besonderen Einzelfällen.
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