Schrebergärten sind auch bei jungen Menschen wieder angesagt
Gerade für junge Leute galten Schrebergärten lange als etwas spießig. Das ändert sich. Und die Bedeutung der Flächen für die Städte hat sich auch gewandelt.
Das Bild mag auf den ersten Blick nicht so richtig passen: Verena Gensler, 28, die dunklen Haare hochgebunden, gekleidet in T-Shirt und Hotpants, arbeitet ausgerechnet in der ältesten Kleingartenanlage Augsburgs – die am Proviantbach. Dort hat sie einen kleinen Garten. Sie gießt die Zucchini und Radieschen im Hochbeet. Im Hintergrund steht das Holzgestell der Gartenhütte, Teile der alten Verkleidung liegen daneben. Blaue und weiße Plastikplanen schützen die Werkzeuge vor Regen. Den Garten bewirtschaftet sie mit ihrem Freund erst seit April, noch erinnert vieles eher an eine Baustelle. „Gerade arbeiten wir an der Hütte, damit wir wenigstens bald Freunde einladen können und Stauraum haben“, sagt sie. „Danach kommt der ganze Rest.“
Mit ihren 28 Jahren ist Gensler eine der jüngeren Pächter in ihrer Kleingartenanlage. Verschroben und spießig – Attribute, die dem Kleingärtnertum oft anhaften – findet sie es nicht. Tatsächlich stimmt das alte Bild der durchregulierten Schrebergärten, in denen der Spaß dem korrekten Schnitt der Hecke untergeordnet ist, auch schon lange nicht mehr. Strikte Vorschriften wie früher gibt es heute nicht mehr, zumindest nicht so viele, erklärt Bianca Di Palma vom Landesverband Bayerischer Kleingärtner (LBK). „Vor ein paar Jahrzehnten waren die Regeln deutlich strikter“, sagt sie. Und Verena Gensler, die Neue in ihrer Anlage, erzählt: „Mir ist bisher keine Regel begegnet, die blöd oder unlogisch ist.“ Zum Beispiel dürften Bäume nicht höher als vier Meter sein. „Sonst liegt der Nachbarsgarten komplett im Schatten. Das will ja auch keiner.“
So strenge Vorschriften wie früher gibt es nicht mehr
Werner Wagner weiß, wie es damals war. Seit 25 Jahren bewirtschaftet er eine 300 Quadratmeter große Parzelle auf der Perzheimwiese nahe der Wertach in Augsburg. Dass sich die Regeln etwas gelockert haben, findet er gut: „Heute ist die Anlage interessanter. Es ist viel mehr Abwechslung zwischen den Gärten.“ Er selbst hält es aber mit seiner Parzelle traditionell: Eine Hütte mit Terrasse, akribisch gemähter Rasen, dazu verschiedene Bäume und ein großes Gemüsebeet.
Gärtnern ist wieder in, gerade bei jungen Leuten. Die Wartelisten bei den bayerischen Verbänden sind vor allem in den Großstädten lang. Allein in Augsburg warten mehr als 1300 Interessenten auf eine der insgesamt 3698 Parzellen, die dem Stadtverband unterstehen. Die Wartezeit? Nach Angaben des Stadtverbands zwischen zwei und sechs Jahren. Bei Verena Gensler waren es drei. In München warten des dortigen Kleingartenverbandes zufolge knapp 1500 Menschen auf einen Garten. Die Wartezeit beträgt gut vier Jahre. Aber: Viele der 82 Vereine, die dem Stadtverband unterstehen, nehmen vorübergehend keine neuen Gesuche auf, um die Wartezeit zu begrenzen.
Die Wartelisten für Schrebergärten sind lang
Besonders beliebt ist das Schrebern in kleineren Ballungsräumen und Großstädten, erklärt Di Palma vom Landesverband. Eben überall, wo Menschen in Mietwohnungen leben und Grünflächen rar sind. Die Interessentengruppe wird demnach immer diverser, die Zusammensetzung der Gärten ändere sich. „Es gibt viele Anfragen von ausländischen Bürgern, die sich für eine Parzelle interessieren“, sagt sie. Und besonders viele junge Menschen und Familien seien an einer Gartenlaube interessiert.
Verena Gensler steht am Eingang zu ihrem Garten und bewundert das Blumenbeet, das entlang der Grundstücksgrenze wächst. Klee, Sonnenblumen und Phacelia, der „Bienenfreund“, recken ihre Hälse Richtung Sonne. Um die violetten Blüten schwirren dutzende Bienen und Hummeln. Gensler lächelt: „Das ist einfach schön. Der ganze Garten lockt Tiere an und bietet ihnen gleichzeitig Lebensraum.“
Hier lässt sich Spaß und Ökologie verbinden
Das ist einer der Gründe, wieso Kleingärten in Großstädten als so wichtig angesehen werden. Eine Studie der Universität Basel belegt dies: Ein Forscherteam untersuchte dort 35 Parzellen und fand darin 254 verschiedene Arten. Darunter Ameisen, Spinnen, Asseln und Tausendfüßler. Das Beeindruckende daran: Unter den entdeckten Tieren waren auch solche, die auf der Roten Liste bedrohter Arten stehen. Vier Tierarten wurden während der Untersuchung zudem zum ersten Mal überhaupt in der Schweiz entdeckt.
Kleingärten bieten also nicht nur dem Menschen Platz zum Entspannen, sie tragen auch zum Artenerhalt bei. Die Schweizer Forscher konnten zwischen den Gärten jedoch große Unterschiede ausmachen. Das Ergebnis: Je vielfältiger die Pflanzen in einem Garten sind, desto eher machen sich verschiedene Tiere breit. Die Abwechslung aus Grasflächen, Büschen, Laubhaufen und Blumen ist demnach für den Artenschutz entscheidend. Für Verena Gensler war das einer der entscheidenden Gründe, sich einen Garten zuzulegen. „Neben der Ökologie zählt aber vor allem auch der Spaß an der Arbeit“, betont sie.
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