Günzburg liegt Diana Damrau zu Füßen
Das Günzburger Dossenberger-Gymnasium, irgendwann vor Jahren. Eine zarte, blonde Vierzehnjährige beim Konzertabend. Vorsingen, vor so vielen Leuten! Ob Diana Damrau wohl daran gedacht hat, als sie am Samstag die Bühne in Günzburg betrat? Von Rebekka Jakob
Von Rebekka Jakob, Günzburg
Das Günzburger Dossenberger-Gymnasium, irgendwann vor Jahren. Eine zarte, blonde Vierzehnjährige beim Konzertabend auf der Schulbühne. Vorsingen, vor so vielen Leuten! Die Hände wissen nicht genau, wohin. Die Nerven liegen blank. Sind die Texte alle im Kopf? Ein kurzer Blick zum Musiklehrer und dann - diese Stimme!
Ob Diana Damrau wohl daran gedacht hat, als sie am Samstagabend die Bühne auf dem Günzburger Schlossplatz betrat? Denn die Gesichter im Publikum sind fast die gleichen wie damals. Da vorne neben dem Augsburger Dirigenten Wolfgang Reß, vor den Musikern der Sinfonia Augustana, aber steht jetzt ein Opern-Weltstar. Mit strahlendem Ton, mit unglaublicher Präsenz, mit Professionalität bis in die Fingerspitzen. Und dann ist sie plötzlich wieder da, die Günzburger Diana, die kokett ihr im Regen sitzendes Publikum beklatscht und zur Pause ein fröhliches und unverkennbar schwäbisch klingendes "bis später" ins Mikrofon zwitschert.
Da werden Erinnerungen wach im Publikum. Dr. Angelika Fischer zum Beispiel hat noch ein ganz bestimmtes Bild von Diana im Kopf: "Sie hatte so ein weißes, flauschiges Kaninchen. Mit dem ist sie immer zu mir in die Tierarztpraxis gekommen." "Ich kenne sie noch aus Musikschulzeiten", erzählt die Günzburgerin Magdalena Proksch. "Dass einmal etwas aus ihr werden würde, war damals schon klar. Und jetzt ist sie ein internationaler Star."
Gefragt in aller Welt - und ganz besonders in Günzburg. 800 Karten hatte die Sparkasse für das Open Air drucken lassen, das Diana Damrau als Geschenk an ihre Heimatstadt verstanden wissen wollte. Und die waren in fast märchenhafter Geschwindigkeit ausverkauft. Kunden hämmerten frühmorgens an die Scheiben der Günzburger Sparkassen-Hauptstelle, um an Tickets zu kommen. Sogar die eigene Familie steckte zurück, um das für den Ansturm zu schmale Kontingent nicht noch mehr zu schwächen. "Wir wollten ein Familientreffen machen, aber haben dann zu Gunsten der Günzburger verzichtet, damit möglichst viele Menschen sie sehen können", sagt der stolze Vater der kürzlich zur jüngsten Kammersängerin Bayerns erhobenen Sopranistin.
Die Damraus haben zwar mit einem großen Ansturm gerechnet - schließlich ist es nicht das erste Mal, dass ihre Diana seit ihrem Durchbruch als Opernsängerin zu Hause auftritt. Wie sehr die Menschen in der Stadt ihrer Tochter zu Füßen liegen, überwältigt sie aber doch.
Seit ihrem Auftritt mit Placido Domingo zum Auftakt der Fußball-WM im vergangenen Jahr - "sie hat ihn an die Wand gesungen", berichten die Günzburger, die dabei waren und mit "Diana, Diana"-Rufen auf sich aufmerksam machten - seit diesem Konzert also kennt die Damrau-Euphorie in Günzburg keine Grenzen mehr. Eilends hatten die Veranstalter sogar noch eine Zusatz-Tribüne geordert und fast 300 zusätzliche Karten an der Abendkasse ausgegeben.
Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs? Vielleicht, dass die Damrau eben wirklich immer eine Günzburgerin geblieben ist. "Wurzeln sind wichtig. Ohne Wurzeln geht es nicht", sagt sie nach drei Stunden verregneter italienischer Nacht. Die Günzburger um sie herum schwanken zwischen ehrfürchtiger Zurückhaltung und herzlicher Nähe. Die einen schießen schüchtern Fotos des Opernstars mit ihren Digitalkameras, die anderen schließen die junge Frau, mit der sie aufgewachsen sind, einfach nur begeistert in die Arme.
Tenor César Gutiérrez und die Sinfonia Augustana mit ihrem Dirigenten Wolfgang Reß halten sich beim Konzert und später beim Empfang im Münzkabinett vornehm im Hintergrund. Sie ist der Star. So viele Hände müssen geschüttelt, so viele Erinnerungen ausgetauscht werden. Und so wenig Zeit: Schon am Sonntag um 14 Uhr ist Günzburgs Diana wieder Frau Opernstar Damrau und probt in Salzburg den Figaro. Man wird ihr bei den Festspielen zujubeln, keine Frage. Und auch an der New Yorker Met, wo sie bald als Erste überhaupt das Experiment wagen wird, in der Zauberflöte die Königin der Nacht und die Pamina in ein und derselben Inszenierung zu singen.
Aber die Diana, die ist sie nur in Günzburg und für Günzburg.
Video und Bildergalerie unter
augsburger-allgemeine.de/damrau
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