G8/G9: Das Volksbegehren interessiert kaum jemanden
Sollen Schüler selbst bestimmen, wie lange sie aufs Gymnasium gehen? Den Bürgern scheint es egal zu sein. Kaum jemand hat bisher unterschrieben. Die Freien Wähler sind alarmiert.
Seit einer Woche läuft das Volksbegehren zur Gymnasialreform – und fast keiner interessiert sich dafür. Nur in wenigen Kommunen hat die Beteiligung zur Halbzeit die Ein-Prozent-Marke überschritten. Im Schnitt 0,8 Prozent der Wahlberechtigten haben bislang bayernweit unterschrieben.
Ein Erfolg scheint in weiter Ferne: Zehn Prozent Unterstützung sind nötig, damit der Landtag sich mit dem Konzept der Freien Wähler (FW) befasst, das eine Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium zum Ziel hat. Erst dann wird ein Volksentscheid möglich.
„Wir brauchen nicht lange drumherumzureden“, sagt Initiator und FW-Generalsekretär Michael Piazolo, „natürlich haben wir gehofft, dass wir heute besser dastehen.“ Derzeit klammert sich seine Partei an die Hoffnung, dass bei Volksbegehren tendenziell die allermeisten Unterstützer in den letzten Tagen unterschreiben.
Selbst in Landhut macht kaum jemand mit
Noch ist bis 16. Juli Zeit, doch Piazolo weiß die Zahlen zu deuten: Beim Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren im Januar 2013 hatten zur Halbzeit immerhin 4,34 Prozent der Bayern unterschrieben. Davon ist beim Thema G8/G9 selbst die Stadt mit der höchsten Beteiligung weit entfernt: In Landshut unterschrieben in den ersten sieben Tagen 2,0 Prozent der Wahlberechtigten.
Jetzt möchten Piazolo und sein Team noch einmal alles geben, um Bayerns Bürger an die Unterschriftenlisten zu locken. Damit sie den Weg dorthin finden, wollen die Freien Wähler vor den Rathäusern gezielt Lotsen postieren, die den Inhalt des Volksbegehrens erläutern. Über verschiedene Kanäle startet die politische Gruppierung eine weitere Informationsoffensive: etwa mit Anzeigen in Zeitungen und einer zentralen Kundgebung am kommenden Sonntag auf dem Münchner Marienplatz.
Max Schmidt, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbands, hofft darauf, dass das Ende der WM bei der Unterstützerrate einen Aufschwung bringt. Im Moment gingen „die Leute lieber zu den Spielen, statt abzustimmen“, sagt Schmidt im Gespräch mit unserer Zeitung. Sein Verband unterstützt zwar nicht den Entwurf der Freien Wähler, der Schulen in Bayern die Entscheidung zwischen G8 und G9 selbst überlässt, eine grundlegende Reform des Gymnasiums im Freistaat jedoch halten auch die Philologen für unverzichtbar.
Vor allem die Älteren fühlen sich von der Diskussion weit entfernt
Ein beträchtlicher Teil der Bayern offenbar nicht, wie eine Meinungsumfrage des Verbands zeigt: „Die Umfrage hat ergeben, dass sich ein Drittel der Bayern für das Thema G8/G9 überhaupt nicht interessiert“, bedauert Schmidt. Vor allem Ältere fühlten sich von der Diskussion oft weit entfernt.
„Die eine oder andere Großmutter“ komme zwar schon zum Unterschreiben, heißt es dazu aus der Landsberger Stadtverwaltung. Wahrscheinlich Senioren mit Enkeln im Schulalter, vermutet man dort. Generell beobachten die Mitarbeiter aber auch: „Wer nicht betroffen ist, unterschreibt nicht.“
„Nicht betroffen“ – diese Aussage lässt Michael Piazolo nicht gelten. Man solle die Möglichkeit nutzen, selbst Bildungspolitik zu gestalten, sagt der Münchner Landtagsabgeordnete. „Kinder und Jugendliche sind die nächste Generation, die Bayern prägt“, betont er. „Und diese Generation braucht bestmögliche Startbedingungen.“
Hier einige Ergebnisse aus Städten in der Region nach der Hälfte der Abstimmungsfrist:
Augsburg 0,5 Prozent – Aichach 0,9 – Bad Wörishofen 0,4 – Bobingen 0,5 – Dillingen 0,3 – Donauwörth 0,7 – Friedberg 0,6 – Füssen 0,6 – Günzburg 1,1 – Illertissen 0,5 – Immenstadt 0,7 – Kempten 0,5 – Lindenberg 0,6 – Marktoberdorf 0,9 – Memmingen 0,6 – Mindelheim 0,4 – Neusäß 0,8 – Neu-Ulm 0,3 – Nördlingen 0,4 – Schwabmünchen 0,5 – Sonthofen 0,7.
Ingolstadt 0,8 Prozent – Landsberg 0,6 – München 0,7 – Neuburg an der Donau 0,4.
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