Der Maibaum: Ein Zeichen für die Dorfgemeinschaft
Der Maibaum ist nie aus der Mode gekommen - und jetzt wird er in vielen Gemeinden Bayern wieder aufgestellt. Aber über die Sicherheit wird mancherorts mehr nachgedacht als früher. Von Till Hofmann
Otto Isemann hat die Ruhe weg - ganz im Gegensatz zu einigen Jungen, denen die Aufregung anzumerken ist. Kein Wunder: Morgen ist der große Tag in dem 800-Seelen-Ort Eichenloh im oberbayerischen Landkreis Erding, morgen wird mal wieder Dorfgeschichte geschrieben und ein neuer Rekord aufgestellt.
Das ist durchaus wörtlich zu nehmen: Denn im Erdinger Moos hebt ein Autokran die 130 Jahre alte und 16 Tonen schwere Douglasie in die Höhe, die aus dem Spessart geholt wurde, eine 340 Kilometer lange Reise hinter sich hat und die dem Dorf wegen der Baumhöhe zum zweiten Mal einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde sichern soll. Die örtliche Feuerwehr hilft tatkräftig mit und ist ebenso wie Vertreter des Schützenvereins, des Veteranen- und Reservistenvereins, des Trachtenvereins und des Pfeifenklubs im Maibaumausschuss. Vorsitzender seit inzwischen 15 Jahren: Otto Isemann (59).
"Der Brauch des Maibaumaufstellens lebt", sagt Hans Hammer, Kreisheimatpfleger im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. "Weil es - wie man heut' sagt - ein Event ist", fügt er als Begründung hinzu, und der Begriff "Event" kommt ihm dabei nur schwer über die Lippen. Sein Amtskollege im Kreis Fürstenfeldbruck, Sepp Kink, stellt das "Gemeinschaftswerk" ebenfalls in den Mittelpunkt. "Wenn es um den Maibaum geht, dann kommt das Dorf zusammen."
Dabei war der Brauch, der laut Kink zum "Mythos von Bayern" gehört, im Laufe der Jahrhunderte durch die Obrigkeit gefährdet. In einer Oberpfälzer Polizeiordnung aus dem Jahre 1657 wird von dem Baum als "unflätlich, unchristlich Ding" berichtet. Und Heimatpfleger Hammer weiß für den altbayerischen Bereich von einer 250 Jahre alten Anordnung, auf das Maibaumfällen zu verzichten. Begründung: Es sei zwar eine uralte Sitte, gleichwohl sei es ein "zu nichts als der bloßen Bürger- und Bauernlust dienender Gebrauch". Die Bayern können es Ludwig I. verdanken, dass die Sache dann doch wieder anders gekommen ist. Denn der hat - selbst öfters inkognito auf Maibaumfeiern - gut 100 Jahre später die freudlose Bestimmung gestrichen.
Maibaum ist längst nicht gleich Maibaum: Während in Schwaben in der Regel eine Fichte gefällt und als Maibaum geschmückt wird, muss im Fränkischen häufiger die Birke herhalten. Nach wenigen Wochen oder Monaten sind in Schwaben die Bäume wieder verschwunden, während sie in weiten Teilen Oberbayerns und in Niederbayern zum Teil mehrere Jahre stehen.
Gar kein Maibaum steht diesmal in den Sendener Ortsteilen Witzighausen und Hittistetten (Kreis Neu-Ulm). Die Befestigungen im Boden müssen erneuert und verstärkt werden, um die Bäume auch in stürmischen Zeiten in Position zu halten. Die Zeit hat dafür in diesem Jahr nicht mehr ausgereicht. Sendens Bürgermeister Kurt Baiker ist alarmiert gewesen, seit im vergangenen Jahr durch einen Sturm die Spitze des Maibaums abbrach und - zum Glück - nur ein Auto beschädigt hat. Mit Haftungs- und Rechtsfragen wollte der Rathauschef die Ehrenamtlichen in den Vereinen nicht länger alleinlassen. Deshalb gibt's jetzt in Senden klare Regelungen: Die Bäume kommen von der Stadt, die Feuerwehr stellt sie auf, die Vereine schmücken sie. Und die Handarbeit an den "Scheren" beim Aufstellen gehört der Vergangenheit an. Sicherheit geht vor Tradition.
Eine Zahl aus Eicherloh muss noch nachgeliefert werden: Die Rekord-Douglasie ist 57,08 Meter hoch. Isemann spielt auf den Wunsch der CSU an, prozentual wieder auf "50 plus X" in der Wählergunst zu kommen. "Wir machen der Politik halt vor, wie's geht." Von Till Hofmann
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