Augsburger Karstadt-Mitarbeiter kämpfen um Job
Die Verzweiflung wächst. Angesichts der prekären Lage von Arcandor haben Karstadt-Mitarbeiter in Augsburg eine Menschenkette vor dem Haupteingang des Warenhauses in der Innenstadt gebildet. Von Sonja Krell
Von Sonja Krell, Augsburg
"Wir stehen hier, wir sind laut, weil man uns die Arbeit klaut", schallt es durch die Bürgermeister-Fischer-Straße. 150 Karstadt-Mitarbeiter haben sich noch an diesem Morgen vor dem Haupteingang von Karstadt Augsburg versammelt.
Sie rufen, schreien, protestieren - eine Stunde lang. Sie wollen auf ihre Situation aufmerksam machen. Und sie appellieren an die Politik, das Unternehmen staatlich zu unterstützen und somit dessen Fortbestand zu sichern. Renate Liepert peitscht ihre Kollegen an. Immer wieder skandiert sie die Parole. Lauthals. Unermüdlich. Sie kämpft. "Langsam steht es einem doch bis hier, wenn man hört, dass Opel staatliche Hilfe kriegt und wir nicht." Ohne Karstadt, sagt sie, wäre die Innenstadt tot. Roland Eggestein, der neben ihr steht, nickt und wischt sich mit der Hand über die Augen. Dann dreht er sich um, zu den Passanten, hält sein Schild direkt gegen die vorbei rollende Tram.
"Ohne Karstadt keine Innenstadt", steht auf Gertrud Boths Schild. Mit einem mulmigen Gefühl ist sie heute morgen aufgestanden - heute, wo sich entscheidet, wie es mit ihrem Arbeitgeber weitergeht. Seit 29 Jahren arbeitet sie hier, fast so lange, wie es das Warenhaus in der Bürgermeister-Fischer-Straße unter diesem Namen gibt. Und am liebsten will sie noch ein paar Jaher weiterarbeiten. Reiner Jeschek hat bereits hier angefangen, als das Haus noch Neckermann hieß. 34 Jahre ist das her. Er glaubt, dass die letzte Stunde für Karstadt noch nicht geschlagen hat. "Die Hoffnung ist immer noch da. Wir kämpfen, bis zum bitteren Ende." Dann nimmt er das Megafon wieder hoch, hält es vor seine Lippen und gibt den Schlachtruf vor. "Wir stehen hier, wir sind laut, weil man uns die Arbeit klaut..."
Werner Seidl ist bereits in Rente. Doch er ist als moralische Unterstützung mitgekommen, für seine Frau Marion, die bei Karstadt arbeitet. "Wollen Sie, dass Familien in ihrer Existenz bedroht werden?", steht auf seinem Banner. Wenn seine Frau ihren Job in der Schreibwarenabteilung verliere, treffe es sie beide, sagt er. Dann schimpft er über die Verantwortlichen, über die Middelhoffs dieser Welt, die den Konzern in den Dreck gefahren hätten. "Diese Leute gehören massiv bedroht", sagt er.
Filialleiter Michael Hartisch steht in der Mitte des Kreises, den die Mitarbeiter gebildet haben. Er sagt nicht viel, lächelt tapfer, als er von einem Protestierenden zum anderen blickt. "Der Zusammenhalt der Mitarbeiter ist schon beeindruckend", meint er. Unter seinen Augen liegen tiefe Schatten, er hat schlecht geschlafen vor dem Tag der Entscheidung. Denn noch heute stellt sich heraus, ob die Karstadt-Mutter Arcandor Insolvenz anmelden muss.
Der Konzern hatte, wie berichtet, eine Rettungsbeihilfe von 437 Millionen beantragt. Noch heute wird klar, ob Arcandor eine Rettungsbeihilfe gewährt wird. Und auch, ob die 250 Mitarbeitern in Augsburg weiter hoffen dürfen. Günter Rogall, der Betriebsratsvorsitzende, steht neben dem Filialleiter. Auch er nickt, lächelt. Ein Plakat hat er nicht um den Hals. "Es war keines mehr übrig", sagt er. So viele seiner Kollegen sind gekommen sind, um zu protestieren, dass die Schilder ausgegangen sind. "Wir halten zusammen", sagt er. "Karstadt Augsburg ist eine gewachsene Geschichte."
Die Diskussion ist geschlossen.