Ukraine-Krieg entzweit Bayerischen Landtag
Die Abgeordneten debattieren über den Umgang mit Geflüchteten und Bayerns Abhängigkeit von russischer Energie. Söder überlegt, Gundremmingen wieder hochzufahren.
Geflüchtete, Energiepolitik, Verteidigung: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch für Bayern unterschiedliche Dimensionen, mit denen sich die Staatsregierung beschäftigt. Sie waren Thema bei der Sitzung des Kabinetts und der anschließenden Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Bayerischen Landtag.
Demnach sollen an allen Schularten für geflüchtete Kinder und Jugendliche Willkommensgruppen gegründet werden. Die Schulpflicht greife zwar erst nach drei Monaten, es sei aber das Ziel, schon vorher Angebote zu machen, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Durch diese Gruppen sollen Geflüchtete in einer geregelten Struktur mit festen Bezugspersonen – wenn möglich auch ukrainische Lehrkräfte – den deutschen Schulalltag kennenlernen und dadurch „Halt und Orientierung“ bekommen. Auch Sport-, Sprach- und andere Angebote soll es geben. Piazolo betonte, dass der Bedarf daran in den kommenden Wochen weiter steigen werde. Mittlerweile sind etwa 50.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Bayern angekommen – der Großteil Frauen und Kinder. Piazolos Wunsch sei es, die Willkommensgruppen unbürokratisch, einfach, aber dennoch sicher zu gestalten, sagte er nach der Kabinettssitzung.
Neben den Willkommensgruppen an bayerischen Schulen fordert Söder auch eine bessere Registrierung und Verteilung ukrainischer Geflüchteter
Zur Unterbringung und Unterstützung der Geflüchteten kündigte Ministerpräsident Söder darüber hinaus einen Krisengipfel mit den bayerischen Kommunen an. Er soll am Mittwoch stattfinden. Söder forderte eine bessere Registrierung und eine Verteilung der ukrainischen Geflüchteten nach dem Königsteiner Schlüssel. Der Bund solle die Kosten für Länder und Kommunen ersetzen. Dem widersprach Oppositionsführerin Katharina Schulze (Grüne). Bayern müsse seinen Beitrag leisten. „Der Freistaat muss den Ehrenamtlichen personell, finanziell und organisatorisch unter die Arme greifen“, sagte sie im Landtag.
Über fünf Milliarden Euro hat alleine Bayern im vergangenen Jahr für Erdöl und Erdgas aus Russland bezahlt und ist damit mit Abstand auf Platz eins in Deutschland. So überrascht es nicht, dass die bundesweite Debatte über energiepolitische Abhängigkeit von Russland auch im Freistaat diskutiert wird. Es ist ein Dilemma, wie Söder erklärte. Einerseits seien Sanktionen im Energiebereich am wirksamsten, andererseits belasten die „explodierenden Energiepreise“ Millionen von Menschen. Er sei für mehr und stärkere Sanktionen, man müsse aber die sozialen Folgen bedenken. Söder erteilte jedoch der FDP-Forderung nach einem Tankrabatt eine Absage und forderte stattdessen, die Steuern bei Benzin, Diesel und Strom zu senken. Auch Schulze nannte den FDP-Vorschlag „Quatsch“, forderte stattdessen ein Energiegeld für alle als soziale Steuerung. Wer das Klima weniger belaste, habe danach mehr im Geldbeutel.
Mindestens 500 Windräder sollen in Bayern entstehen; Söder fordert zudem, die Laufzeit von Atomkraftwerken zu verlängern
Wie schon in den vergangenen Wochen forderte der bayerische Ministerpräsident außerdem, die Laufzeit vorhandener Atomkraftwerke zu verlängern und bereits abgeschaltete Meiler wieder ans Netz anzuschließen. Explizit nannte er auch das stillgelegte Werk in Gundremmingen. „Verlängern ist vernünftig, Abschalten ist ideologisch“, sagte er. Laut Schulze streue der Ministerpräsident den Menschen mit dieser Forderung Sand in die Augen. So gebe es zum einen nicht genügend Brennelemente für den Weiterbetrieb, zum anderen könnte der Atomkraftstrom das Gas nicht ersetzen. Söder kündigte darüber hinaus an, die alternativen Energien vorantreiben zu wollen. An der umstrittenen 10H-Regel, die er als „eine Form von Bürgerbeteiligung“, Schulze dagegen als „Windkraftverhinderungsgesetz“ bezeichnete, wolle er zwar festhalten. Doch er wolle mindestens 500 neue Windräder im Freistaat ermöglichen – „500 plus X“. Nach der 10H-Regel müssen Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnhäusern entfernt sein. Der Ministerpräsident kündigte dazu einen „Windgipfel“ mit betroffenen Verbänden an. Laut Schulze sei Bayern nahezu Schlusslicht bei der Windenergie und müsse sich der „riesigen Transformation“ stellen. Anders als Öl und Gas können Wind und Sonne von niemandem vereinnahmt werden, sie gehören allen. Wie in Neuseeland forderte sie zudem, die Ticketpreise im Öffentlichen Personennahverkehr zu halbieren.
Söder lobte darüber hinaus das Vorhaben der Bundesregierung, 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr zu stecken. Die Bundeswehr brauche die bestmögliche Ausrüstung. Auch sei die Abschaffung der Wehrpflicht „vielleicht ein Fehler“ gewesen. Frieden, Freiheit und Sicherheit seien laut Söder gefährdet wie noch nie. Schulze dagegen erinnerte daran, dass das Verteidigungsministerium in den vergangenen 16 Jahren in Unionshand war.
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