Ausstellung in Bäumenheim schildert Schicksale von KZ-Häftlingen
Der Bäumenheimer Marktplatz wird zum Mini-Museum: Dort werden Geschichten ehemaliger KZ-Häftlinge erzählt. Das Thema lautet" gestohlene Erinnerung"
Ein blauer Container mit aufgeklappten Seiten steht heute genau dort, wo sich von August 1944 bis April 1945 ein Außenlager des Konzentrationslagers Dachau befand. „Stolen Memory“ – zu Deutsch „Gestohlene Erinnerung“ – steht auf den Flügeln des Containers, was seinen Inhalt treffend beschreibt. Denn in ihm befindet sich in leuchtendem Rot eine kleine, aber ganz gezielte Ausstellung über genau das: Erinnerungsstücke, die KZ-Häftlingen weggenommen, oder besser gesagt gestohlen worden sind. Konkret wird die Geschichte von zehn Häftlingen gezeigt, deren weggenommenes Eigentum in den Arolsen Archives aufbewahrt wurde und teilweise inzwischen zurückgegeben werden konnte.
Dabei soll der Container nicht nur dazu dienen, die Erinnerungsstücke wie Schmuck oder Fotos zu zeigen. Vielmehr soll die Ausstellung helfen, die Effekten – so der Fachbegriff für die Gegenstände – zurückzugeben. Denn noch immer sind etwa 2500 dieser Gegenstände in den Arolsen Archives, ohne dass Angehörige der Opfer gefunden werden konnten. Zur Suche nach diesen Angehörigen soll die Ausstellung aufrufen.
Bäumenheims Bürgermeister Martin Paninka will einen Gedenkstein aufstellen
Die Eröffnung des Containers ist schlicht. Bürgermeister Martin Paninka begrüßt die Interessierten und bedankt sich bei Franz Müller. „Seinen guten Verbindungen haben die Open-Air-Ausstellung in unsere Gemeinde gebracht“, sagt er. Über Monate hinweg habe Müller Namen recherchiert und Archive ausgewertet. Um dem gerecht zu werden, hofft Paninka im kommenden Jahr am Friedhof einen Gedenkstein aufstellen zu können. „Es sollte nicht nur der Soldaten, sondern auch der Opfer gedacht werden, das gehört zu einer vernünftigen Erinnerungskultur dazu“, bekräftigt er.
Franz Müller selbst ist Historiker, hat lange an einer Universität gearbeitet und für Kommunen deren Geschichte recherchiert. Das Container-Konzept hat ihn sofort angesprochen. „Es ermöglicht ein zwangloses Durchgehen, jeder kann für sich selbst entscheiden, ob er Interesse am Thema hat“, sagt Müller. Praktisch sei, dass die Ausstellung zu den Menschen komme, statt dass diese aktiv in ein Museum gehen müssten.
Diejenigen, die zur Eröffnung gekommen sind, führen angeregte Diskussionen über eine Zeit, die sie größtenteils nicht miterlebt haben. Manch einer studiert regelrecht die Geschichten der KZ-Insassen. Es kommen viele Fragen zu den Arolsen Archives auf, da die wenigsten je von diesen gehört haben.
Luftangriff über Bäumenheim: Die Häftlinge halben den Bürgern
Besonders interessant ist, dass einige sich über ihre eigenen Erinnerungen oder die ihrer Eltern oder Großeltern austauschen. Beispielsweise war Ingrid Pfahler selbst gerade drei Jahre alt, als der Luftangriff auf Bäumenheim geschah. „Die Häftlinge haben meinen Großeltern nach dem Luftangriff geholfen“, erzählt sie. Die Leute im Ort hätten immer erzählt, dass die Gefangenen gute Leute seien. Für sie und ihre Gesprächspartner haben sich diese Ereignisse in die Gedächtnisse eingebrannt, obwohl sie damals noch so jung waren. „Selbst in dem Alter kriegt man das mit und merkt sich alles“, sagt Ingrid Pfahler.
Es ist der 20. Ort in Deutschland, an dem der Container haltmacht. Das Konzept ist neu, es wurde erst im vergangenen Jahr erdacht. Ursprünglich sollte die Open-Air-Ausstellung nur in Orte unter 20.000 Einwohner kommen, inzwischen gibt es aber zwei weitere Container, von denen der eine in größeren Städten in Deutschland aufgestellt wird, während der andere sogar europaweit unterwegs ist.
Am Bäumenheimer Marktplatz ist die Ausstellung aus zweierlei Gründen richtig: Zum einen war dort ein KZ-Außenlager mit Hunderten Inhaftierten, zum anderen hat eines der Erinnerungsstücke einem Häftling gehört, der beim Fliegerangriff am 19. März 1945 hier ums Leben kam. Oskar Ciesielski hieß der Mann, dessen einzige Hinterlassenschaft, eine Armbanduhr, in den Arolsen Archives auf Rückgabe wartet. Das KZ-Außenlager befand sich in Bäumenheim, weil der Ort zu der Zeit aufgrund zweier großer Betriebe ein wichtiger Industriestandort war. Die Opfer wurden hier unter anderem für den Bau des ersten Düsenjägers der Welt ausgebeutet.
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