Tanzen mit Herz: In Kissing trainieren Jugendliche in einer inklusiven Gruppe
Das Tanzstudio Effekt in Kissing bietet eine inklusiven Kurs an: Jugendliche mit und ohne Downsyndrom tanzen gemeinsam. Wo die Gruppe auftritt.
Trompeten dröhnen aus den Lautsprechern, dunkle Tuba, ein mitreißender Rhythmus. Hände und Füße folgen dem Takt: "Tanz um dein Leben", singt Henning Wehland. "Tanz um dein Leben, als würd's auf der Welt für dich nichts anderes mehr geben." Die Tänzerinnen und Tänzer springen und rennen durch den Raum, immer schneller, bis zum großen Finale des Songs - "Tanz, tanz, tanz, tanz!" - und fallen dann wie vom Blitz getroffen zu Boden. In die Stille hinein folgt Kichern. Die Jugendlichen ziehen sich gegenseitig auf die Beine und strahlen. Die Gruppe von Trainerin Alice Schäffer ist besonders: Denn hier tanzen junge Menschen mit und ohne Downsyndrom zusammen.
Eigentlich war die Gruppe des Kissinger Tanzstudios Effekt initial nur für einen Auftritt entstanden, wie Schäffer erzählt. Nämlich für die Sternstunden-Gala des Bayerischen Rundfunks. Im Jahr 2018 war sie mit dem Verein "Einsmehr" in Kontakt gekommen, der damals ein inklusives Hotel in Augsburg plante. Die Vorsitzende habe ein Tanzstudio gesucht, das mit ihnen zusammenarbeitet und für die Gala eine Choreografie einstudiert. "Wir sind dann an Weihnachten 2018 gemeinsam in Nürnberg aufgetreten", erinnert sich Schäffer. "Und danach haben wir weitergemacht."
Tanzstudio Effekt in Kissing hat eine inklusive Gruppe
Zwischen damals und heute liegen unzählige Trainingsstunden. Heute sind es 22 Mitglieder im Alter von 15 bis 28 Jahren. Eine große Gruppe, die über die Jahre zu einem eingespielten Team geworden ist. Lampenfieber, kribbelige Füße: Wie ist es, die Choreografie vor lauter fremden Menschen zu präsentieren? "Ganz normal", sagt Annemarie Deuringer aus Bobingen, eine der Tänzerinnen mit Downsyndrom. Ihre Mutter Conny lacht über die Antwort. "Von mir hat sie das nicht." Annemarie tanzt, seit sie sieben Jahre alt ist. Vor allem Ballett, am liebsten Märchenfiguren, wie die 27-Jährige erzählt.
Für die Eltern seien die Auftritte immer mit Aufregung verbunden, bestätigt auch Nicole Fuchs aus Mering. Ihre Tochter gehört zum Teil der Gruppe ohne Behinderung. Leichtere Choreografien, langsameres Vorankommen: Dass gerade die Teenager ohne Downsyndrom so gerne mittanzten, sei keine Selbstverständlichkeit. Unter den Tänzerinnen und Tänzern habe sich über die Jahre ein fester Zusammenhalt entwickelt. "Sie haben einen besonderen Vibe zusammen. Das schätzen sie alle."
Gruppe tritt auch beim Kissinger Brunnenfest auf
Heuer stehen wieder einige Auftritte an. Im Mai geht es mit der gesamten Tanzschule in die Augsburger Kongresshalle, dann folgen der Tag der offenen Tür und das Kissinger Brunnenfest. Es geht aber auch auf große Bühnen: Im Juni finden die Special Olympics in Berlin statt, hierfür wurde Schäffers Gruppe angefragt. Seit zwei Jahren gibt es zudem eine deutschlandweite Fachtagung, bei der Menschen mit Downsyndrom ab 16 Jahren zu einem Wochenende mit Seminaren eingeladen werden. Zweimal fand es in Augsburg statt - und Alice Schäffer hatte mit ihrem Team aus Tänzerinnen und Tänzern ohne Behinderung einen Workshop angeboten. Dieses Jahr findet die Fachtagung im September in Berlin statt. "Die Veranstalter waren so begeistert von uns, dass sie uns wieder haben wollten", erzählt die Trainerin.
Alice Schäffer ruft ihre Gruppe zusammen. Momentan wird die neue Choreografie geübt zu Mark Fosters "Bist du okay?". Sie startet mit sanften Klaviertönen, alle knien im Kreis auf dem Boden. Vom langsamen Beginn wandelt sich der Song, nimmt Fahrt auf. Schnelle Schritte, die Gruppe teilt sich, neigt sich zu einem Mädchen in der Mitte hin. Wenn Schäffer die neuen Tänze entwirft, achtet sie nicht nur auf die Melodie, sondern den Inhalt und die Sprache. "Bei deutschen Liedern verstehen alle den Inhalt und können ihn umwandeln", erklärt die Meringerin. Das geschehe durch einfache Gesten - etwa Muskeln zeigen bei Stärke oder ein Herz formen für Liebe. Die Botschaft eines Songs sei für sie entscheidend: "Wir wollen auf uns aufmerksam machen und zeigen, wofür wir stehen." Und das ist? Freude, Zuversicht, Zusammenhalt: "Wenn ich mich an die Anfänge erinnere, hatten so viele der Kids Scheu und Berührungsängste", sagt Schäffer. "Das hat sich komplett gewandelt. Wie gut sie miteinander umgehen, berührt so sehr."
Info: Am 7. Mai lädt das Tanzstudio Effekt in die Kongresshalle nach Augsburg ein, wo auch die inklusive Tanzgruppe von Alice Schäffer auftreten wird.
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