Kunden sollten sich von ihren Banken nicht um Prämien bringen lassen
Banken und Sparkassen zogen bei hunderttausenden lukrativen Prämiensparverträgen die Notbremse. Doch Kunden sollten sich nicht um ihre Zinsen bringen lassen.
Unzählige Bürger haben sie abgeschlossen: Prämiensparverträge, die zwischen 1990 und 2010 von Banken und Sparkassen zuhauf verkauft wurden. Diese sichere Geldanlage war der Renner. Zusätzlich zum Grundzins bekam der Sparer eine jährliche Prämie zugesagt, die mit der Zeit steigt. Dann kam das Dauerzinstief – und die Geldinstitute senkten jahrelang einseitig die Verzinsung. Das geht jetzt nicht mehr. Kunden sollten Einbußen nicht hinnehmen und nachrechnen lassen, rät Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen: „Betroffenen kann ein Nachschlag von vielen tausend Euro zustehen.“
Bundesgerichtshof hat Zinssenkungen mittlerweile für unwirksam erklärt
Dass das Zinstief den Banken und Sparkassen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist unbestritten. „Zinsänderungen gehören aber zum Risiko der Institute, sie können es nicht auf die Kundschaft abwälzen“, macht Heyer deutlich. Doch genau das ist offenbar seit Jahren passiert. Die Prämiensparverträge mit variablem Zinssatz und Staffel enthielten Klauseln, mit denen die zugesicherte Verzinsung einseitig verändert konnte. Die Geldhäuser machten davon Gebrauch, senkten die Zinsen oft und zum Teil massiv ab, wie Verbraucherschützer und auf Kapitalrecht spezialisierte Anwälte monieren. Der Bundesgerichtshof hat die Klauseln mittlerweile zwar für unwirksam erklärt. Die Einbußen trägt aber bislang allein der Kunde.
„Je älter der Vertrag und je mehr Geld monatlich eingezahlt wurde, desto höher kann die Lücke sein“, gibt Sascha Straub, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bayern zu bedenken. Sein Rat: Wer Gewissheit will, sollte die Zinszahlungen aus dem Vertrag nachrechnen lassen. Die Verbraucherzentralen bieten Sparern eine Überprüfung an, ob die Verzinsung über all die Jahre korrekt war. Der Service einer Neuberechnung mit rechtlicher Bewertung kostet bei der VZ Sachsen zum Beispiel 85 Euro. Es kann sich lohnen, wie Heyer betont, die zusammen mit ihrem Team bislang mehr als 7700 Verträge aus ganz Deutschland nachgerechnet hat. Straub kennt Fälle etwa bei der Sparkasse Nürnberg oder der Stadtsparkasse München, bei denen den Kunden zwischen 4200 bis 4600 Euro zu wenig gutgeschrieben wurden. Laut Heyer stehen Betroffenen im Einzelfall bis zu 40000 Euro zu.
Bei Banken und Sparkassen nicht locker lassen und auf sein Recht bestehen
Den Vertrag nachrechnen zu lassen, ist die eine Sache. Die Nachforderung bei der Sparkasse dann auch anmelden und hartnäckig dranzubleiben, ist eine ganz andere Sache. Prämiensparer sollten an ihre Sparkasse schreiben: Die Verbraucherzentralen oder auch Stiftung Warentest halten online kostenlose Mustertexte für einen solchen Brief bereit. Oft hat ein solches Schreiben schon Erfolg. So manches Institut zahlt fehlende Zinsen zumindest teilweise nach, berichtet Erk Schaarschmidt, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB). „Wir haben von Fällen gehört, die gute Angebote und zum Beispiel 80 Prozent des geforderten Nachschlags bekamen“, sagt auch Heyer. Andere Sparkassen boten lediglich zehn Prozent der geforderten Summe. Der Großteil blockte ab. Am Ende bleibt nur noch, um sein Geld zu streiten. Die Verbraucherzentralen haben bereits gegen etliche Sparkassen auf Unterlassung oder aber auf Musterfeststellung geklagt und bieten Betroffenen Unterstützung an.
Selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) macht jetzt Druck. Die Behörde verpflichtete Banken und Sparkassen vor einigen Tagen dazu, Prämiensparer mit variablem Zinssatz über unwirksame Anpassungsklauseln zu informieren. Die Finanzinstitute müssen zudem eine Zinsnachberechnung zusichern oder einen Änderungsvertrag mit wirksamer Anpassungsklausel anbieten. Laut BaFin sind mindestens 247 Banken und Sparkassen betroffen. Das Problem: Die Geldinstitute dürfen innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen, vor Gericht ziehen und damit weiter auf Zeit spielen. Aber: Setzt sich die BaFin am Ende durch, werden Kunden auch dann Geld bekommen, wenn sie selbst nichts unternommen haben und ihre eigenen Forderungen verjährt sind. Zudem steht noch ein höchstrichterliches Urteil beim Bundesgerichtshof aus, nach welchen konkreten Kriterien Banken in langfristigen Sparverträgen Zinsen anpassen müssen.
Null-Zins-Phase: Sparverträge nicht eigenständig kündigen
Grundsätzlich gilt: Wer einen Prämiensparvertrag hat, sollte diesen „Zinsschatz“ so lang wie möglich festhalten und weiter besparen. Auch wenn es Banken und Sparkassen immer wieder versuchen werden: Auf keinen Fall sollten Sparer den Vertrag selbst auflösen oder auf Alternativangebote eingehen. Schickt die Sparkasse die Kündigung, sollten Kunden widersprechen. Wer Formulierungshilfen braucht, findet Musterbriefe auf den Seiten der Verbraucherschützer und Stiftung Warentest. Der Widerspruch muss spätestens bis zum genannten Kündigungstermin beim Geldinstitut eingegangen sein. Sich zu wehren sei aussichtsreich, wenn zum Beispiel die höchste Prämienstufe noch nicht erreicht wurde, eine fest vereinbarte Laufzeit noch nicht zu Ende ist oder der Vertrag keine exakte, aber eine maximale Laufzeit enthält, erläutert Heyer.
Aufgepasst: Ab der Kündigung des Prämiensparvertrags läuft die Verjährung. Sobald nach Ende des Jahres, in dem die Sparkasse den Vertrag gekündigt hat, drei Jahre vergangen sind, ist das Recht auf eine Zinsnachzahlung in der Regel nicht mehr durchsetzbar. Die Verjährung lässt sich aber stoppen, indem sich Kunden beim Ombudsmann beschweren oder aber gerichtliche Schritte wie Mahn- oder Klageverfahren einleiten. Alternative, um Zeit zu gewinnen, bis ein verbraucherfreundliches BGH-Urteil da ist: sich einer der bislang neun Musterfeststellungsklagen der Verbraucherschützer in Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt anschließen. Der Schritt ist kostenfrei.
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