Es mangelt an Platz und Personal: Tierklinik Babenhausen erlebt schwierige Zeiten
Es gibt immer weniger tierärztliche Kliniken, die einen 24-Stunden-Dienst anbieten. Eine davon befindet sich in Babenhausen. Auch sie hat Mühe, den Status zu erhalten.
Dass Raumnot in der Kleintierklinik in Babenhausen herrscht, lässt sich im Obergeschoss gut veranschaulichen. In einem Eck sitzt eine Mitarbeiterin vor dem PC, während ein großer Server neben ihr summt, in der Mitte ist eine Leinwand für Teambesprechungen aufgebaut, im anderen Eck wird Arbeitskleidung gebügelt. Ein Stockwerk tiefer, wo Hunde, Katzen, Kaninchen behandelt werden, ist ebenfalls jeder Winkel genutzt. Doch an der beengten Situation wird sich so schnell nichts ändern, nachdem sich Baupläne zerschlagen haben. "Die Enttäuschung war bei allen groß", sagt Tierärztin Dr. Nikola Medl. Sie leitet die Kleintierklinik, zu der Menschen sogar mitten in der Nacht 80 Kilometer weit fahren, um ihre Tiere wegen eines Notfalls behandeln zu lassen. Doch der Platzmangel ist nur eine Sorge, die die Einrichtung gerade umtreibt.
Erst aber Näheres dazu. Die Kleintierklinik, die unter dem Dach der Anicura-Gruppe agiert, hätte eigentlich innerhalb von Babenhausen umziehen wollen. Ein Grundstück und ein Investor, der die Immobilie bauen und an die Klinik vermieten wollte, waren gefunden. Doch dann stiegen die Baukosten und Zinsen, sodass die Miete zu teuer geworden wäre. Plan B musste her, der da lautete: das bestehende Gebäude an der Alpenstraße aufstocken. Auch daraus wird nichts. Nachdem Anwohner und der Marktrat Bedenken zum Ausdruck gebracht hatten, zog die Klinik die Bauvoranfrage zurück. Für Gegenwind gesorgt hatte - wieder einmal - die prekäre Parkplatzsituation. Um die Lage etwas zu entschärfen, habe die Klinik schon eine Fläche für die Autos der Angestellten angemietet, sagt Medl. Und wie sieht nun Plan C aus? "Die nächsten drei bis vier Jahre werden wir wohl auf jeden Fall hierbleiben und versuchen, mit Notlösungen zu leben", sagt Medl. Sie denkt an kleinere Umbauten im Haus.
Der Platzmangel ist nicht nur eine tägliche Herausforderung für das bestehende Team, sondern auch ein "K.o.-Kriterium" bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. "Es ist mir mehr als einmal passiert, dass Leute abgesprungen sind, weil sie ihr Tier nicht mitbringen können", erzählt Medl. Wer in diesem Bereich arbeitet, habe oft ein eigenes Haustier - und wegen der Arbeitszeiten möchten es viele mitbringen. Das erfordert zusätzlichen Platz - den die Klinik nicht hat. "Es ist ärgerlich, wenn es an so etwas scheitert", bedauert Medl. Denn die Anwerbung neuer Tierärztinnen und Tierärzte ist die zweite große Aufgabe, die die Tierklinik aktuell zu meistern hat und die nicht nur im übertragenen Sinne für schlaflose Nächte sorgt.
Wohin mit dem Tier bei einem Notfall in der Nacht?
Dazu muss man wissen: Eine Einrichtung mit Klinik-Status braucht neben einem gewissen Spektrum an medizinischen Leistungen einen 24-Stunden-Notdienst. Zu jeder Tages- und Nachtzeit und das ganze Jahr über muss jemand verfügbar sein, der sich um Notfälle kümmern kann. Das bieten immer weniger Einrichtungen an. Der Tierärztestatistik zufolge nahm die Zahl der Tierkliniken in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig ab. Bei der Bayerischen Landestierärztekammer waren Ende 2022 nur noch 13 Kliniken für Kleintiere gemeldet. Das Einzugsgebiet des Hauses in Babenhausen ist, wenn es um den Notdienst geht, folglich riesig. Die nächsten vergleichbaren Kliniken befinden sich laut Medl erst wieder in Gessertshausen, Stuttgart, Ravensburg, Blaichach und München.
In Fachmedien ist von einer "Notdienstkrise in der Tiermedizin" die Rede. Einer der Gründe dafür: Eine Klinik braucht eine bestimmte Anzahl an Tiermedizinern, um den Rund-um-die-Uhr-Dienst sicherstellen zu können. Das Arbeitszeitgesetz sieht vor, dass angestellte Tierärzte eine Höchstarbeitszeit von acht Stunden haben, die - in einem gewissen Rahmen - um bis zu zwei Stunden überschritten werden darf. Auch Ruhezeiten sind vorgeschrieben. Bei 13 Tierärztinnen und Tierärzten in der Kleintierklinik in Babenhausen kann man sich leicht ausrechnen, dass sich der Dienstplan nicht ohne Weiteres erstellen lässt.
Immerhin: Nach diversen Anträgen und erfüllten Anforderungen hat die Einrichtung 2021 eine Sondergenehmigung erhalten. Die Tierärzte dürfen an Sonn- und Feiertagen längere Arbeitszeiten und in der Nacht einen längeren Bereitschaftsdienst haben sowie Ruhezeiten unterschreiten. So konnte die Klinik die Einführung eines Drei-Schicht-Modells verhindern. "Das wäre unser Aus. Dafür haben wir nicht ausreichend Personal hier", sagt Nikola Medl. Nun gilt es, den Spagat zu schaffen: einerseits die Dienste abzudecken und andererseits ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem die Angestellten den Job auch für längere Zeit ausüben können und wollen.
Zu wenig Nachwuchs im Veterinärwesen in Deutschland
Ein oder zwei zusätzliche Tierärzte wären überaus hilfreich, sagt Medl. Doch die sind gefragt. "Wir haben viel zu wenige Tierärzte für die, die in Rente gehen." Zu wenige Studienplätze, ein Numerus Clausus und hauptsächlich Frauen unter den Studienabgängern, von denen viele wegen der Familienplanung irgendwann kürzer treten: All das führe zu dem Mangel, sagt Medl, die selbst Mutter ist und weiß, wie mühevoll Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen sind. In der Branche gehe es ohne Zuwanderung von Veterinären aus dem Ausland nicht. Wobei da wiederum die Sprachbarriere Schwierigkeiten bereiten kann, gerade in der oftmals emotionsgeladenen Kommunikation mit Tierbesitzerinnen und Tierbesitzern.
Von den Menschen, die mit tierischen Patienten in die Klinik kommen, erhofft sich Nikola Medl manchmal etwas mehr Verständnis. Denn wenn das Team sein Bestes gebe und dann eine unfaire Bewertung im Internet auftauche, dann sei das "einfach frustrierend".
Die Diskussion ist geschlossen.