Ich hasse nichts so wie Musik!
Der scharfzüngige Musikkabarettist Georg Kreisler starb im Alter von 89 Jahren.
Augsburg De mortuis nil nisi bene – landläufig übersetzt: Über Tote möge mit Wohlwollen gesprochen werden. Das ist nun allerdings wahrlich viel verlangt vom Musikkritiker – wenn es um Georg Kreisler geht, der am Dienstag 89-jährig starb. Hat der Wiener Klavierkabarettist etwa nicht in einem seiner berühmtesten Chansons gerade den ehrbaren Berufsstand des Musikkritikers besudelt, entehrt, vernichtet? Er war es doch, der stellvertretend und von vielen falschen Tönen unterlegt, den Musikkritiker sprechsingend zu Wort kommen ließ mit:
„Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten“,
um dann die Charakter-Beichte eines vollkommen Unmusikalischen gipfeln zu lassen mit:
„Ich hasse nichts so wie Musik!“
Ja, das war Georg Kreisler, der so regelmäßig vor allem in den 60er und 70er Jahren schadenfrohes Feixen im Publikum auslöste.
Nun ist er tot, der Scharfzüngige, der Bittere, der Zynische. Gestorben in Salzburg an einer Infektion – nicht in Wien an den Folgen einer Taubenvergiftung. Und wir, die Musikkritiker, sind nicht nachtragend. Wie wird es ihm jetzt wohl ergehen? Diesbezüglich hatte er selbst im hohen Alter noch Hoffnungen: „Ich glaube nicht, dass es ein Leben nach dem Tode gibt, so ein Pessimist bin ich nicht.“ Man begreift also: Mit der Musikkritik war Kreisler auch das Paradies nicht heilig.
Satirisch war sein Blick natürlich vorzugsweise auf die Heimat Wien, wo er am 18. Juli 1922 zur Welt kam („Wie schön wäre Wien ohne Wiener“). Die Aversion hatte verständliche Gründe: Vor den Nazis musste Kreisler als Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts 1938 aus der Stadt flüchten. In Los Angeles setzte er seine musikalische Ausbildung fort und wurde US-Bürger. Fünf Jahre später war er als US-Soldat zurück in Europa – unter anderem in der Funktion eines „Erstverhörers“ von deutschen Kriegsgefangenen. So lernte Kreisler Nazi-Größen wie Julius Streicher und Hermann Göring kennen.
Der künstlerische Durchbruch gelang ihm schließlich, als er 1955 fest nach Wien zurückkehrte und neben Helmut Qualtinger und Oscar Bronner peu à peu zu einer Institution des Kabaretts aufstieg – ab der Mitte der 60er Jahre allerdings auch zunehmend politisch zensiert. Zu Kreislers Lebensbilanz zählen rund 600 Chansons und Lieder, dazu Romane, Kurzgeschichten, Essays, Komödien, Musicals und sogar Opern (Satirisches) wie der „Aufstand der Schmetterlinge“. Schad ist’s um ihn und seine verlässlich-konträre Stimme. (mit Agentur)
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