Katja Eichinger: Aus dem Schatten ins Licht
Katja Eichinger war in der Öffentlichkeit nur als Frau des verstorbenen Filmgiganten Bernd Eichinger bekannt. Nun hat die Witwe einen Roman veröffentlicht und steckt voller Pläne.
Sie ist kaum geschminkt, trägt die Haare dezent. Als Katja Eichinger das Café Reitschule in München betritt, wirkt sie unauffälliger, aber auch sympathischer als auf Fotos in den Illustrierten, in denen sie oft mit knallrot geschminkten Lippen und Waver-Frisur zu sehen ist. Wir sprechen über ihren Erstlingsroman „Amerikanisches Solo“. Der spielt in Los Angeles und handelt von einem Weltstar, der von seinen inneren Abgründen übermannt wird. Das Buch ist flott geschrieben. Es lohnt, darüber zu sprechen. Einige private Fragen können wir uns sparen. Die hatte die 43-Jährige auch schon dem Boulevard offenbart. Demzufolge ist sie mit dem britischen Künstler Anthony James, 39, liiert, denkt aber nicht ans Heiraten.
Servus, Frau Eichinger, bei welcher Gelegenheit hatten Sie denn die Idee, nach Ihrer von der Kritik gelobten Biografie über Ihren verstorbenen Mann einen Roman schreiben zu wollen?
Katja Eichinger: Die Idee reifte schon lange in mir. Ich bin Journalistin, und die meisten von uns wollen ein Buch schreiben, tragen gewissermaßen eines in sich. Aber mein Alltag wurde immer vom Kurzformat diktiert. Erst als ich heiratete, nahm ich mir die Zeit für einen Roman. Der ist längst fertig. Aber irgendetwas passt da nicht. Darum habe ich ihn erst einmal in die Schublade gelegt. Dann hatte ich Ende vergangenen Jahres eine neue Idee, und die setzte ich in einem Guss um. Ich beendete zu dieser Zeit die Interviews über das Leben meines verstorbenen Mannes. Der Roman ist darum auch ein Schritt in ein neues Leben. Ich begann, meine erste eigene Geschichte zu erzählen.
Sie leben in München und Los Angeles. Wo haben Sie geschrieben?
Eichinger: Den Großteil in Los Angeles.
Weil Sie das Gefühl hatten, Sie müssen am Ort der Handlung sein?
Eichinger: Ja, das hat sicherlich beim Schreiben geholfen. Ich habe mir in L. A. ein kleines Häuschen in den Canyons gemietet. Da wohnen auch viele meiner Freunde. Da kenne ich mich aus. Und es ist gut, die Geschichte in eine Szenerie zu betten, die man kennt. Denn Genauigkeit spielt beim Erzählen eine wichtige Rolle. Das Ende habe ich übrigens in München geschrieben.
Ein Jazzsaxofonist ist der tragische Held in Ihrem Roman. Warum Jazz? Das ist doch aus heutiger Sicht Musik für sentimentale ältere Männer. Warum nicht ein Hip-Hopper oder ein Rapper?
Eichinger: (grinst) Stimmt eigentlich, das wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Aber wissen Sie, Jazz spiegelt etwas sehr Melancholisches für mich wider. Gleichzeitig strahlen manche Stücke auch eine Art von Nervosität und Unruhe aus. All das passte zu meiner Hauptfigur, eines trotz seines Erfolges einsamen Mannes. Ja, Jazz ist für mich die Musik der einsamen Wölfe. Das Genre ist sehr beliebt bei Männern. Ich kenne nicht viele Frauen, die echte Jazzfans sind.
Haben Sie eine spezielle Verbindung zur Musik?
Eichinger: Ich liebe Musik, bin aber nicht begabt genug, um sie zu meinem Beruf zu machen.
Spielen Sie ein Instrument?
Eichinger: Ja, Klavier und Kirchenorgel. Als Kirchenorganistin habe ich mir schon als Schülerin Taschengeld verdient.
Ihr Hauptprotagonist Harry Cubs (sprich Kabs) ist ein verkappter Sexist. Basiert die Geschichte auch auf eigenen Erfahrungen mit Männern?
Eichinger: Wie Harry Cubs verhalten sich viele Männer gar nicht absichtlich sexistisch. Allein durch Erziehung und Sozialisation können sie sozusagen gar nicht anders. Es sind Männer mit einem schwierigen Verhältnis zu Frauen. Männer, die Frauen in die Opferrolle stoßen wollen. Oh ja, da kenne ich einige.
Es sind Typen, die nach außen hin kein Wässerchen trüben können, in denen aber der wilde Hirsch röhrt ...
Eichinger: Genau. Mit offensichtlichen Sexisten kann ma ja streiten. Solche Typen aber sind schwer zu knacken, weil sie kaum Reibungsflächen bieten.
Man soll ja nicht zu viel verraten, aber das Ende der Geschichte mit einer schwarzen Mamba ist durchaus überraschend, fast novellenartig. Hat das Ende eine tiefere Bedeutung?
Eichinger: Ich will nichts vorwegnehmen, aber mir war wichtig, die Idee der Vergebung einzubauen. Es ist vor allem sehr schwierig, sich selbst zu vergeben. Und genau das sollte dieser Mensch, der sich zuvor so schrecklich verhalten hat. Beide Figuren der Geschichte sollten erlöst sein.
Sie kennen sich gut aus in Hollywood. Kommen solche tragischen Begegnungen zwischen Mann und Frau dort häufiger vor als anderswo?
Eichinger: Nein, das glaube ich nicht. Zwar ist L. A. schon ein Sammelbecken für Exzentriker, aber menschliche Abgründe finden genauso in der Provinz statt. Ich kann das sagen, denn ich stamme aus der Nähe von Kassel. Meine Mutter war Physiotherapeutin. Für mich war es als Kind das Beste, den Bäuerinnen in ihrer Praxis beim Tratschen zuhören zu dürfen. Da hörte ich Geschichten, in denen sich Abgründe auftaten. Das Melodram findet wohl überall statt.
Wie viel steckt von Bernd Eichinger in diesem Buch oder hat es gar nichts mit ihm zu tun?
Eichinger: In jedem Fall habe ich von Bernd viel über das Schreiben und Geschichten erzählen gelernt. Er sagte: Man muss aufs Ganze gehen und den Leser oder Zuschauer packen und darf ihn nicht mehr loslassen. Ein Autor sollte auch nicht um den heißen Brei herumtanzen. Er darf auch keine Angst haben, dass der Leser private Parallelen zu ihm selbst zieht. Das heißt: Ein Autor muss die Hosen runterlassen.
Jetzt wird es ein wenig privater. Sie leben in München und L. A. – warum nicht in Berlin, wo gerade alle Prominenten hinziehen?
Eichinger: Viele haben zu mir schon gesagt: Du musst nach Berlin ziehen! Aber ich bin gerne in München. In dieser Stadt fühle ich mich zu Hause. Ich brauche die Ruhe hier zum Reflektieren. München hat eine Tiefgründigkeit, die ich anderswo nicht fühle. Ich bin gerne im Englischen Garten, am Viktualienmarkt, im Lenbachhaus. Auch die Oper ist großartig.
Der chinesische Weise Laotse hat gesagt: Der Weg ist wichtiger als das Ziel. Ist das auch Ihre Einstellung oder leben Sie lieber auf gewisse Punkte hin?
Eichinger: Ich finde es schrecklich, wenn man im Leben die aktuellen Momente wegplant. Ich lebe nicht im Konjunktiv, sondern im Hier und Jetzt.
Welche Tricks haben Sie, damit Ihnen das gelingt. Machen Sie Yoga?
Eichinger: Ja, Yoga oder Klavier spielen gehört dazu. Und noch einmal: Ich mag es nicht, wenn die Zukunft abgesteckt ist, sondern versuche, den Moment zu genießen.
Gibt es weitere Pläne für Buchprojekte oder auch Filme?
Eichinger: Als Nächstes will ich noch einen Roman schreiben. Die Geschichte weiß ich schon, will sie aber noch nicht verraten. Außerdem produziere ich einen Film mit Regisseur Werner Herzog. Es wäre das letzte Projekt meines Mannes gewesen. Schreiben aber mag ich im Grunde lieber. Da reden einem nicht so viele Leute drein. Schreiben ist intimer – da gibt es nur die Seite und mich.
Die Einsamkeit des Autors ...
Eichinger: ... vor allem die Ruhe. Ich mag dann aber auch die Phase, wenn das Buch fertig wird und man wieder mehr unter die Leute kommt.
Wie läuft der Verkauf Ihres Romans?
Eichinger: Erstaunlich gut, auch die Kritiken sind sehr positiv.
Das ist beim strengen Feuilleton nicht selbstverständlich.
Eichinger: Darum verspüre ich auch große Erleichterung.
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