Die Zukunft gehört den denkenden Robotern
Künstlicher Intelligenz gehört die Zukunft, heißt es. Aber was steckt hinter der Technologie, die Wissenschaft und Industrie so in Euphorie versetzt?
Maschinen, die den Menschen unterwerfen und die Weltherrschaft übernehmen – in vielen Science-Fiction-Filmen wird künstliche Intelligenz als etwas Gefährliches dargestellt. Die Wirklichkeit ist zumindest bislang weniger spektakulär. Roboterforscherin Elisabeth André von der Universität Augsburg hilft, den Begriff zu erklären: „Im Grunde verbergen sich hinter künstlicher Intelligenz Verfahren, die versuchen, Aspekte menschlicher Intelligenz nachzubilden.“ Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Teilbereich der Informatik und beschäftigt sich mit der Entwicklung von Computerprogrammen, die intelligentes Verhalten simulieren. KI-basierte Software steuert technische Systeme, zum Beispiel die Spracherkennung auf dem Smartphone, die automatische Übersetzungsfunktion im Internet oder auch ganze Roboter. Die Systeme werden deshalb als intelligent bezeichnet, weil sie selbstständig Probleme bearbeiten und lösen können – ähnlich wie der Mensch.
Frühere KI-Systeme basierten üblicherweise auf Regeln. Ein Programmierer entwickelt Vorschriften in Form von Codes, anhand derer eine Software ein Problem lösen soll. Zum Beispiel: Werden erhöhte Körpertemperatur sowie Kopf- oder Gliederschmerzen festgestellt, handelt es sich vermutlich um eine Grippe. „Bei dieser Form der künstlichen Intelligenz kann der Mensch das Vorgehen der Maschine in der Regel noch nachvollziehen“, erklärt die Roboterforscherin. Die Regeln können zwar komplex und umfangreich sein, sind aber immer transparent.
„In letzter Zeit dreht sich der Hype aber vor allem um maschinelles Lernen“, sagt Elisabeth André. Im Grunde bedeutet maschinelles Lernen, dass Computer von selbst aus Informationen in Form von Daten Wissen erzeugen. Beim maschinellen Lernen versuchen Wissenschaftler, die natürliche Intelligenz des Menschen nachzubilden. Sie nehmen sich dabei unter anderem menschliche Lernprozesse im Gehirn zum Vorbild.
Forscher wollen das menschliche Gehirn nachbauen
Das menschliche Gehirn besteht aus ungefähr 86 Milliarden Nervenzellen. Sie heißen Neuronen, sind alle miteinander verbunden und senden sich gegenseitig elektrische Impulse. Bis zu 10.000 Verbindungen kann ein Neuron zu seinen Nachbarzellen ausbilden. Es entsteht ein gigantisches Netzwerk, das für den Menschen die Grundlage ist, dass er lernen, Schlussfolgerungen ziehen und abstrakt denken kann.
Diese Fähigkeiten versuchen Wissenschaftler mit KI auf Maschinen zu übertragen. Dazu ahmen sie den Aufbau des Gehirns nach und bauen ein künstliches neuronales Netzwerk. Diese künstlichen Zellen sind genau wie Neuronen im Gehirn miteinander verbunden – für den Computer ist das die Grundlage, damit er lernen kann. Neuere Forschungsarbeiten beschäftigen sich bereits mit dem biologischen Nachbau von Gehirnstrukturen. In der Praxis sind jedoch künstliche Netze in Form von Software verbreitet. Elisabeth André: „In der Informatik sind das codierte Datenstrukturen. Also Programmcode.“
Die Wissenschaftler stellen dem Computer dann zum Beispiel eine Aufgabe: Er soll Bilder erkennen, auf denen ein menschliches Gesicht zu sehen ist. Entwickler müssen dazu nicht mehr für die Software bestimmte Regeln entwerfen, die festlegen, wie ein menschliches Gesicht aussieht und welche Merkmale es auszeichnet. Mittlerweile können Computer mit maschinellem Lernen sogar selbstständig Muster erkennen. Das funktioniert so:
Wissenschaftler speisen ganz viele Daten in die Software ein, zum Beispiel in Form von Bildern mit menschlichen Gesichtern. Dann beginnt für die KI die Lernphase. Sie klassifiziert alle ihr zur Verfügung gestellten Bilder und erhält eine Rückmeldung, ob sie das Bild richtig erkannt hat oder nicht. Daraufhin passt das Netzwerk die Verbindung zwischen den einzelnen Neuronen an. Hat die KI das Foto richtig erkannt, wird die Verbindung stärker. Ist das Ergebnis falsch, wird sie schwächer. Das Programm lernt immer mehr dazu und entwickelt sich zu einem intelligenten neuronalen Netzwerk. Sind viele Millionen solcher künstlichen Neuronen in mehreren Schichten miteinander vernetzt, heißt das in der Informatik Deep Learning, übersetzt tief Lernen. Es kommt heute zum Beispiel bei Produktempfehlungen in Onlineshops oder Filmtipps auf Streamingplattformen zum Einsatz.
Die künstliche Superintelligenz liegt noch in weiter Ferne
Experten nennen diese Form der künstlichen Intelligenz schwache KI. Sie funktioniert so gut, weil sie nur auf einen kleinen Teilbereich spezialisiert ist. Dazu zählen unter anderem die Spracherkennung am Smartphone und Spam-Filter in E-Mail-Programmen. Diese Anwendungen sind alle richtig gut in einem Teilbereich, können aber ihre Erfahrungen und Schlussfolgerungen nicht auf andere Bereiche übertragen. Von einer sogenannten starken künstlichen Intelligenz, die über ähnlich umfassende intellektuelle Fähigkeiten wie ein Mensch verfügt, ist man jedoch noch weit entfernt, glauben Experten. Genauso wie von einer künstlichen Superintelligenz, die sogar noch viel intelligenter wäre als ein Mensch. Eine universelle KI gibt es noch nicht. Sie liegt bisher außerhalb der technischen Möglichkeiten.
Doch Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die technischen Voraussetzungen in den kommenden Jahren immer weiter verbessern werden. Zum Beispiel für die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens, wo riesige Datenmengen verarbeitet werden müssen. Bereits seit den 1950er Jahren beschäftigen sich Wissenschaftler mit der Idee einer künstlichen Intelligenz. Doch erst in den vergangenen Jahren sind die technischen Voraussetzungen, die maschinelles Lernen möglich machen, immer leichter verfügbar. Die Masse an Daten im Internet, anhand derer Computer lernen können, wird von Tag zu Tag größer. Außerdem werden Computer mit dem technischen Fortschritt durchgehend besser und schneller und können immer Daten verarbeiten und speichern.
Elisabeth André hält maschinelles Lernen und Deep Learning für vielversprechend. „Es gibt schon einige Erfolgsgeschichten, die den Hype belegen.“ Sprachassistenten wie Alexa und Siri oder Schachcomputer. „Bei solchen Entwicklungen darf man aber nicht aus den Augen verlieren, dass künstliche Intelligenz kein Selbstzweck ist“, betont André. „Man muss sich immer überlegen, wie eine Maschine den Menschen am besten unterstützen kann.“ Denn es ergebe keinen Sinn, einen Schachcomputer zu entwickeln, gegen den kein Mensch gewinnen kann.
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