"Queen & Slim": Auf der Flucht vor dem weißen Amerika
Für den schwarzen Angestellten Slim kann eine Verkehrskontrolle in den USA lebensgefährlich werden. Zum Glück findet er in "Queen & Slim" eine Gefährtin.
Das erste Date verläuft nicht sehr vielversprechend. Über „Tinder“ haben sich die beiden in einem Schnell-Restaurant in Cleveland verabredet. Queen (Jodie Turner-Smith), die Strafverteidigerin, hat gerade einen Prozess verloren und kann den ungelenken Small-Talk-Versuchen des Warenhausangestellten Slim (Daniel Kaluuya) wenig abgewinnen. Wahrscheinlich würden sich die beiden nie wiedersehen, aber dann geraten sie auf dem Weg nach Hause in eine Verkehrskontrolle. Das kann für Afroamerikaner in den USA schnell zu einer lebensgefährlichen Angelegenheit werden. Slim muss aus dem Wagen steigen und die Hände aufs Dach legen. Als Queen die Szene mit dem Smartphone filmen will, zieht der Polizist die Waffe und schießt ihr ins Bein. Im nachfolgenden Kampf löst sich ein weiterer Schuss, der den Cop tödlich trifft.
Eigentlich ein klarer Fall von Notwehr, wenn das Opfer nicht ein Polizist und der Täter nicht schwarz wäre. Abhauen oder den Rest des Lebens hinter Gittern – so fasst die Rechtsanwältin Queen die Handlungsoptionen nüchtern zusammen. Und so begeben sich die beiden auf die Flucht Richtung Süden, wo sie in Florida auf eine Überfahrt nach Kuba hoffen. Natürlich ist der Vorfall schnell in den Medien und das Video, das mit der Autokamera des Beamten aufgenommen wurde, geht innerhalb kürzester Zeit viral.
Trailer zu "Queen & Slim": Ein herausragendes Spielfilmdebüt
Während die Polizei im ganzen Land sie sucht, steigen die Flüchtigen in der schwarzen Community zu Volkshelden auf. Als afroamerikanische Version von „Bonnie & Clyde“ werden sie bezeichnet und natürlich sind die filmgeschichtlichen Referenzen, die Melina Matsoukas mit ihrem herausragenden Spielfilmdebüt anspielt, noch weiter gestreut. Ihr „Queen & Slim“ steht auch in einer Reihe mit klassischen Flucht-Road-Movies wie „Thelma & Luise“ (1991) und „Butch Cassidy und Sundance Kid“ (1969). Die filmkulturelle Aneignung des Genres wird hier in die „Black-Lives-Matter“- Kampagne eingebettet und geht doch weit über ein bloßes politisches Statement hinaus. Matsoukas inszeniert die Flucht der beiden zunehmend als mythische Reise, die vom Norden in die Südstaaten und damit in genau umgekehrte Bewegungsrichtung angetreten wird, die entflohene Sklaven aus den konföderierten Staaten seinerzeit eingeschlagen haben.
Die entscheidende Überlebensfrage ist auch hier: Wem kann man vertrauen? Und diese Ungewissheit lässt sich nicht immer anhand der ethnischen Zugehörigkeit klären. „Hier seid ihr sicher“, flüstert die Kellnerin in einer Blues-Bar, in der nur Schwarze verkehren. Und für einen Song lang können Queen und Slim in eine frisch verliebte Normalität abtauchen, die ihnen für immer genommen wurde.
"Queen & Slim" in der Kritik: Eine bewegende Liebesgeschichte
Mit ungeheurem Stilwillen inszeniert Matsoukas, die durch das provokante Musikvideo zu Beyoncés „Formation“ bekannt wurde, ihr politisches Roadmovie, das äußerst differenziert über den rassistischen Status Quo der amerikanischen Gesellschaft meditiert und gleichzeitig eine höchst bewegende Liebesgeschichte erzählt.
Daniel Kaluuya („Get Out“) und die britische Newcomerin Jodie Turner-Smith entwickeln eine enorme Präsenz, die in den hochdramatischen und in den leisen Momenten der Annäherungen gleichermaßen wirkt. Nach „Moonlight“, „Get Out“ und „The Hate U Give“ beweist auch „Queen & Slim“, dass die wirklich interessanten Impulse im dahinsiechenden Hollywood-Mainstream aus dem afroamerikanischen Kino kommen.
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