Asmik Grigorians neues Album: Es strömt, blüht, schwelgt in diesen Liedern
Die neue CD der litauischen Starsopranistin und bewunderten Operntragödin widmet sich Richard Strauss, und das gleich in doppelter Weise. Auch Grigorians Kinder liefern einen Beitrag zu dem Album.
Gerade stürzt sie sich an der Bayerischen Staatsoper als Lisa in Tschaikowskys Oper "Pique Dame" in den Tod (Vorstellungsserie bis 20. Februar). Und auch in ihren tragenden Rollen der letzten Jahre an den internationalen Opernbrennpunkten sang sie sich final-letal die Seele aus dem Leib: als Salome und Lady Macbeth und Schwester Angelica bei den Salzburger Festspielen, als Senta des Fliegenden Holländers in Bayreuth. Asmik Grigorian ist geradezu eine Referenz-Sängerin für die tragischen, ja monströsen Sopran-Rollen des Musiktheaters - kraft ihrer überbordenden Stimme, kraft ihres bedingungslosen Bühnen-Einsatzes. Sie singt und spielt ihre Rollen nicht, sie lebt sie aus - existenziell scheiternd. Und diese Verausgabung ist es, die sie so begehrt macht bei den Intendanten und beim Publikum. Seit ihrer Salzburger Salome (2018) kann sich die 42-jährige Litauerin ihre Partien aussuchen.
Zur Wahl gehören auch "Vier letzte Lieder" von Richard Strauss, die Grigorian 2023 zusammen mit "Isoldes Liebestod" bei den Münchner Philharmonikern unter Thomas Guggeis öffentlich sang und nun - mit anderen musikalischen Partnern - für ihre jüngste, beim Label Alpha erschienene CD in Paris und München aufnahm. Wieso an zwei Orten bei nur vier jeweils kurzen Liedern? Nun, Asmik Grigorian sang Straussens Spätwerk doppelt ein, zunächst in der Orchesterversion mit dem Orchestre Philharmonique de Radio France unter Mikko Franck und dann - durchweg langsamer - in der Fassung für Sopran und Klavier mit Markus Hinterhäuser, dem Salzburger Festspiel-Intendanten und Pianisten-Spezialisten für das 20. Jahrhundert. Entsprechend nennt sich die auch im Layout persönlich gehaltene Aufnahme 4 + 4 = 8, beziehungsweise 4 + 4 mit einer liegenden 8 (dem Unendlichkeitszeichen) sowie "Laws of Solitude" ("Gesetze der Einsamkeit") - wobei zur Illustration des Covers einige Zeichnungen der Kinder Asmik Grigorians zum Thema Alleinsein und Nicht-Alleinsein zählen. Das war wohl zu Hause ein Thema!
In drei von vier Liedern singt Asmik Grigorian vom Tod
Letztlich singt sie, die nach strenger elterlicher Musikausbildung immer noch enorme Selbstzweifel vor neuen Rollen plagen (was ihre Anstrengungen verdoppeln dürfte), letztlich also singt die Grigorian in drei der vier "Letzten Lieder" ebenfalls vom Tod. Lyrisch überhöht ist da vom Augenschließen des Sommers die Rede, vom Schlafengehen, von Abendrot und Wandermüdigkeit. Der Zyklus, 1948 unter Depressionen am erwartbaren Ende eines langen Lebens komponiert und nachgereicht als ein Echo auf die Spätromantik, schließt bei einem Strauss-Selbstzitat aus "Tod und Verklärung" mit der Frage: "Ist dies etwa der Tod?"
Gleichzeitig bot Strauss freilich noch einmal auf, was er an weitgespannter Melodik, an kostbarer Frauen-Stimmführung, an klanglicher Pracht mittels Instrumentation-Finessen meisterlich beherrschte: Dieses Alterswerk steht künstlerisch betrachtet weit über manch anderer Strauss-Komposition. Dass Asmik Grigorian den Anforderungen an Noblesse und tragende Überwölbung leuchtend gerecht wird, ist nicht die Frage. Das strömt, blüht, schwelgt. Sie gießt für die elegischen Abgesänge die ganze Fülle ihres Soprans aus.
Der Sinn der Worte bleibt manchmal nur zu erahnen
Aber sie tut es vornehmlich mit einer instrumental geführten Stimme. Bei den zahlreichen Melismen ihres Parts, wo sie auch Vogelrufe zu imitieren hat, kann und darf das gar nicht anders sein. Doch dort, wo die Hermann-Hesse- und Joseph-von-Eichendorff-Lyrik etwas zu sagen hat, bleibt ihr Sinn oft nur schwer zu erahnen: weniger, dass Vokale verfärbt sind, mehr, dass Konsonanten verschwimmen. Die Prononcierung jedenfalls ist - im Gegensatz zum Klangwohllaut - nicht die feinste.
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