Auch im Vatikan ist die Zinn-Kunst aus Dießen heiß begehrt
Die Zinngießerei Schweizer feiert ihren 222. Geburtstag. Tradition und bayerische Geschichte werden vom Handwerksbetrieb mehr denn je hochgehalten.
Sogar der Vatikan zählt zu den Kunden der Dießener Zinngießerei Schweizer – und das liegt nicht etwa an der Namensgleichheit zu der Vatikanischen Wachmannschaft, der Schweizer Garde. Die Dießener Zinngießer Schweizer verstehen sich auf ihr Handwerk und auch die Tradition spielt nach wie vor eine große Rolle. So können sie im nächsten Monat ein denkwürdiges Jubiläum feiern: Die 1796 gegründete Firma lädt am Samstag, 1. September, zwischen 16 und 18 Uhr zur Feier ihres 222-jährigen Bestehens ein.
Und für diesen besonderen Anlass haben sich die Schweizers auch etwas Besonderes einfallen lassen: Genau drei Wochen später, am 22. September, wird der Zinngießer Wilhelm Eisenhart ins Geschäft an der Herrenstraße 17 kommen. Von 10 bis 14 Uhr schätzt der Experte den Wert von Zinnwaren, die Kunden mitbringen können. Am Nachmittag haben dann alle Kinder von 14 bis 16 Uhr Gelegenheit, unter Anleitung selbst kleine Zinnschätze herzustellen.
Alles begann mit dem Bau des Marienmünsters
Es ist eine uralte Kunst, die Karin Schweizer und ihr Team heute bereits in der vierten Generation fortführen. „Angefangen hat alles mit Rosenkränzen sowie zahllosen verschiedenen Amuletten und Wallfahrtsandenken“, berichtet sie. Firmengründer Adam Schweizer war als Goldschmied auf Filigranarbeit spezialisiert. Seine Produkte waren leichter, ansprechender und vor allem materialsparender als die der großen Konkurrenz der Kreuzlmacher.
In den Räumen des traditionsreichen Familienbetriebs kann man heute unter anderem Christbaumschmuck, Heiligen- und Trachtenfiguren, Maibäume, Soldaten und ganze Szenen aus Zinn bewundern – eine originelle Mischung aus Familien-Museum, Ladengeschäft und Café-Restaurant.
Die Geschichte des Unternehmens begann mit dem Bau der Klosterkirche (1732 bis 1739) und einem Michael Schweizer, der dabei als „Stukkatorer“ mitwirkte. Sein kunstsinniger Enkel Adam kam zu einem Goldschmied in die Lehre und erlernte just das, was bis auf den heutigen Tag den weltweiten Ruhm der Zinnwaren aus Dießen begründet: kunstvolle Filigranarbeit.
Anfangs wurde noch heimlich gearbeitet
Zinngießer war Adam damit allerdings noch lange nicht, und die Zinngießerei war in der Familie Schweizer damals eher verpönt, nachdem Adams Tante Theresia einen zinngießenden Wandergesellen mit lockerem Lebenswandel geehelicht hatte. Aber die Idee war da und der junge Adam besorgte sich Marmor- und Schieferreste aus dem Kirchenbau, schliff Schusterwerkzeug zu Graviersticheln und machte sich heimlich an die Herstellung von Zinnmodeln.
Als sein Vater Jakob 1790 starb, war Adam gerade 16 und es vergingen noch sechs Jahre, bis er den Schritt in die Selbstständigkeit wagte und jenen Betrieb begründete, der heute noch besteht. Zwei Jahre nach der Firmengründung heiratete Adam die schöne Weinwirtstochter Monika Neumair aus Landsberg. Das Paar in Altdießener Tracht wurde etwa 30 Jahre später in jenem Scherenschnitt abgebildet, der noch heute als Firmenemblem dient.
Die Kriegsjahre waren besonders schwer
1812 klopfte ein Handwerksbursche namens Josef Rathgeber an Schweizers Tür. Er hatte in Landsberg die Großzinngießerei erlernt und Adam nahm die günstige Gelegenheit wahr, um die Produktpalette um Tischgeschirr und Ähnliches zu erweitern. Joseph heiratete Adams 16-jährige Tochter Helene und die Firma hieß fortan Schweizer und Rathgeber; im Jahr 1875 trennten sich die Kompagnons.
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Firma mehr schlecht als recht. Denn Zinn war Mangelware und man musste sich mit Blei und Zink behelfen. Der Wiederaufbau der Firma kam nur schleppend voran; das sollte sich erst etliche Jahre später ändern.
Heute wird Tradition wie eh und je groß geschrieben, gilt es doch ein wichtiges Stück bayerischer Geschichte und Identität zu bewahren in Zeiten, da das traditionelle Handwerk durch massenweise produzierte Kopien vom Markt verdrängt wird.
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