Der Herr der Kanone
60 Jahre lang hat Josef Schleich die Salutschüsse für die Veteranen abgegeben. Bald steht bei ihm noch ein weiteres Jubiläum an.
60 Jahre lang hat sich Josef Schleich aus Epfach um den Salut beim Veteranenjahrtag gekümmert, früher auch an Fronleichnam und bei jeder Beerdigung eines Kriegskameraden. Die drei Schüsse werden in Epfach aus einer Kanone gefeuert, deren eigenwillige Technik Josef Schleich bestens beherrscht.
Der Epfacher gehört mittlerweile zu den wenigen, die selbst im Krieg waren. Für jeden Kriegsteilnehmer sei es Ehrensache zu schießen, sagt Schleich. Im Alter von 18 Jahren musste er 1943 zum Militär und kam nach einem halben Jahr Ausbildung an die Front nach Russland. „Ich wurde verwundet, das war eigentlich mein Glück, dadurch kam ich in die Heimat zurück“, erinnert sich der rüstige Rentner, der schon bald ein weiteres Jubiläum – seinen 90. Geburtstag – feiern kann.
Als die Kriegswirren vorüber waren und im Dorf langsam wieder kulturelles Leben entstand, trat „der Sepp“ umgehend dem Veteranenverein bei, war bei den Trachtlern aktiv und führte 45 Jahre die Kasse der Schützen. Die Amerikaner hatten in ihrer Besatzungszeit die Kanone des Veteranenvereins mitgenommen, also musste eine neue angeschafft werden. Josef Schleich nahm die Kanone 1954 in seine Obhut, rückte zu Veteranenjahrtagen, Beerdigungen oder großen Festlichkeiten im Dorf aus und kümmerte sich auch um die Beschaffung des notwendigen Schwarzpulvers.
Einmal war er ziemlich spät dran und konnte seinen gewohnten Standort nicht mehr einnehmen. Also stellte er seine Kanone kurzerhand an der Hauptstraße auf. Der enorme Luftdruck zwischen den Häuserzeilen überraschte selbst den erfahrenen Kanonier und ließ eine Fensterscheibe bersten. Doch heute meint Josef Schleich schmunzelnd: „Die Haftpflicht hat’s schon bezahlt.“ Mehrmals fuhr er mit der Kanone zur Wallfahrt an die Stock-Kapelle bei Leeder oder beteiligte sich am Neujahrsanschießen in Schondorf. Mittlerweile ist Josef Schleich der älteste Bürger von Epfach. Fragt man ihn nach der größten Veränderung in seinem Leben, dann sagt er in seinem Original-Dialekt: „Die ganze Maschinerie.“ In seiner Jugend wurde auf dem Aussiedlerhof noch der Ochse vorgespannt, man molk mit der Hand und fuhr mit dem Radl ins Dorf. Dann kam die Technisierung in der Landwirtschaft, wodurch er den Hof beständig erweitern konnte. Heute betreibt sein Sohn eine „Motorrad-Ranch“. Seine Familie ist inzwischen auf vier Kinder, acht Enkel und vier Urenkel angewachsen. Seit 16 Jahren ist Josef Schleich Witwer, versorgt sich in seinem Austragshäusl aber immer noch weitgehend selbst.
Beim jüngsten Veteranenjahrtag hat er seine Aufgabe als Kanonier nach 60 Jahren an Martin Haseitl abgegeben. „So viel Stolz hab’ ich als Soldat, dass ich nur bei Kriegern geschossen habe“, erzählt er. Denn weil neben ihm in Epfach nur noch Anton Schmidt ein echter Veteran ist, geht der Veteranenverein dazu über, auch bei der Beerdigung anderer Vereinsmitglieder zu schießen. Ein bisserl Schwarzpulver hat sich der Sepp aber aufgehoben, das reicht gerade noch für seine eigenen drei Salut-Schüsse.
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