Ein strahlender Leuchtturm in Landsberg
Der einzige Tournee-Termin von Norma Winstone war im Landsberger Stadttheater. Ein Abend wie man ihn sich wünscht: Authentisch, individuell und sehr ausdrucksstark.
Kann man über Norma Winstone schreiben, ohne Azimuth zu erwähnen? Dieses Jahrhundert-Jazz-Trio mit dem unvergleichlichen Pianisten John Taylor, dem vollendeten Trompeter Kenny Wheeler und eben dieser beinahe göttlichen Stimme Norma Winstones? Die wenigen Alben, die sie gemeinsam einspielten, sind ganz nahe dem Olymp des Jazz geraten. Auf eine subtile, stille, auf eine poetische Art. Keine gezierten Manirismen, ohne jede hemdsärmelige Attitüde. Fein gesponnene Ideen, die mit zartem Flügelschlag zeitlos durch den Äther geistern, aber den Kontakt zum Hier und Jetzt nie ganz verlieren.
Drei Jahrzehnte Geschichte
Aber, um auf die anfängliche Frage zurückzukommen: Ja, man kann über Norma Winstone schreiben, ohne Azimuth zu erwähnen. Aber es fällt verdammt schwer, wie man sieht.
Azimuth ist seit über drei Jahrzehnten Geschichte. Die englische Sängerin aber besitzt schon eine geraume Weile ein neues Trio – mit dem italienischen Pianisten Glauco Venier und dem deutschen Holzbläser Klaus Giesing. Und ein neues Album, das dieser Tage bei ECM München erschienen ist. Der einzige Tour-Termin in Deutschland anlässlich dieser Veröffentlichung war gestern, im Landsberger Stadttheater. Glückwunsch den Veranstaltern.
Kompositionen bekannter Filme
„Descansado - Songs For Films“ heißt die CD und das Programm. Beides gefüllt mit Kompositionen aus überwiegend bekannten Filmen. Doch dieses Trio, plus Helge Andreas Norbakken am Schlagwerk als Gast, setzt eben nicht auf die eingängigen Melodien von Michel Legrand, Ennio Moricone oder Nino Rota, bei denen das Publikum schon nach zwei Takten weiß, wohin die Reise geht. Das wahre Wunder der besten Songs, war einmal zu lesen, liegt im Zusammentreffen eines großartigen Textes mit einer großartigen Melodie. Die Melodien waren vorhanden, einige der Texte schrieb Norma Winston selbst und so entstanden zusätzliche großartige Songs.
Eine eigenständige Kunst
Für die englische Norma Winstone ist Gesang immer auch eine eigenständige Kunst. Sie hat sich schon in der Vergangenheit in den unterschiedlichsten stilistischen Bereichen ausprobiert und immer Zeichen gesetzt. Ohne dabei die großen amerikanischen Jazzeusen zu kopieren. Sie fühlte sich schon immer im Umfeld der europäischen Tradition wohler, stand hier der Avantgarde und der klassischen Moderne näher, als den üblichen Traditionalisten. Ihre melancholische Vitalität, ihr gefühlvolles und doch freimütiges Ausloten der Songinhalte machte sie zu einer der sensibelsten Interpretinnen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch in Landsberg war diese völlig eigene Herangehensweise, Songs zu formen, deutlich zu spüren. Winston übersteigt immer wieder die Demarkationslinie von Jazz und abendländischer Kunstmusik. In beide Richtungen. Mit ihrer klaren Intonation, die nie die Intimität verliert und die immer leicht und schwerelos den Raum ausfüllt, verbindet sie Gegensätze und bricht Distanzen. Es ist egal, ob sie das folkloristische, die kindhafte Melodie oder die reichen instrumentalen Möglichkeit ihrer Interpretationskunst herausstellt, ist sie authentisch spürbar, individuell und selbstbewusst und damit Ausdrucksstark.
Klaus Giesing ist an Sopransaxophon und Bassklarinette eine zweite Stimme, eine Art Duopartner, der mit erfrischend schroffen Konturen und tief nasaler Klangflächen für einen herausfordernden Gegenpart sorgt. Venier gehört am Klavier wohl zu den sensibelsten und zurückhaltendsten Begleitern. Er entfaltet eine Zartheit, die nichts mit Klavierromantik zu tun hat. Er dient subtil der Musik leise aber hingebungsvoll. Und Helge Andreas Norbakken? Der Norweger unterlegt den Set mit Rhythmen und Geräuschen, sucht ständig nach neuen Klangmöglichkeiten, treibt mit fiebriger Präzision die Musik an und geht lustvoll und mit kindlicher Neugier in den rhythmischen Miniaturen auf.
Zusammen sind die drei Begleiter ein musikalisch verlässlicher Verbund von Farben und Nuancen und Synergien. Und Norma Winstone ein über Jahrzehnte strahlender Leuchtturm, im weiten Rund der täglich wie aus dem Nichts erscheinenden und nach kurzer Zeit wieder entschwindenden Jazzsängerinnen.
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