Eine Familie auf Herbergssuche
Mindelheim Die vierjährige Annalena schläft im Stockbett oben, ihre zweijährige Schwester Jasmin unten. Jennifer, ein Jahr alt, schläft mit den Eltern auf einer Matratze am Boden, das zwei Wochen alte Baby Sandy vorerst noch im Körbchen. Wenn alle gleichzeitig essen wollen, gibt es ein Problem. Und zum Spielen haben die Kinder in der 30 Quadratmeter kleinen Einzimmerwohnung eigentlich überhaupt keinen Platz.
Paul Königsberger (30) und seine Frau Kerstin (26) versuchen seit drei Jahren vergeblich, auf dem freien Markt eine größere Wohnung zu finden. Auch die Stadt Mindelheim kann ihnen nichts anbieten, ebenso wenig wie die Wohnungsgenossenschaft Mindelheim. Inzwischen hat sich das Jugendamt eingeschaltet, das die Situation für dramatisch hält und Hilfe leisten will.
Die kleine Wohnung hat Paul Königsberger von einer Abfindung gekauft, die er als Sechzehnjähriger nach einem schweren, unverschuldeten Verkehrsunfall erhielt. Er ist seit damals auch berufsunfähig und bezieht eine kleine Rente. Wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen konnte er beruflich nirgends mehr Fuß fassen.
Das Geld reicht der Familie hinten und vorne nicht
Die Familie lebt von seiner Rente, den Hartz-IV-Bezügen von Kerstin Königsberger und dem Kindergeld. Der Versuch, die Eigentumswohnung zu verkaufen, scheiterte bisher. Das Geld reicht hinten und vorne nicht.
Trotz extrem beengter Verhältnisse ist die Wohnung blitzsauber und aufgeräumt. Die kleinen Mädchen - sämtlich blond, blauäugig und rotbäckig - wirken gesund und fröhlich. "Wir gehen so oft wie möglich ins Freie, bei jedem Wetter", sagt Paul Königsberger.
Privatsphäre gibt es hier keine, weder für Kinder noch für Eltern. Konflikte müssen direkt und sofort ausgetragen werden, Rückzug ist nicht möglich.
"Wenn wir zum Arzt oder zum Einkaufen müssen, leiht uns meine Mutter ihr Auto. Sie kocht auch öfter oder passt auf die Kinder auf", sagt Paul Königsberger. Weitere Kinder, versichern er und seine Frau, seien nicht geplant.
Unterstützung erfahren die Königsbergers auch von Pauls Schwester Ulrike Dausch, die in Apfeltrach lebt und selber ein Kleinkind hat. Sie macht sich große Sorgen um die Familie ihres Bruders und befürchtet, die beklemmende Enge der Wohnsituation könne sich auf Dauer verhängnisvoll auswirken.
"Sie bräuchten ja keine Luxuswohnung in der Stadt", sagt Ulrike Dausch. "Vielleicht ein altes Haus auf dem Land, das noch mit Holz geheizt wird. Das wär auch billiger, Holz haben wir genug." Auto ist allerdings keines vorhanden.
Nachdem jetzt auch noch das Baby da ist, wird die Situation immer unhaltbarer. Inzwischen versucht auch das Jugendamt, der Familie bei der Wohnungssuche zu helfen. "Uns geht es in erster Linie um das Wohl der Kinder", sagt Jugendamtsleiter Egon Stocker. "Wie die Dinge liegen, haben die keine echte, gesunde Entwicklungsmöglichkeit. Keinen Spielraum und keine Chance, dass auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wird."
Er versichert, das Jugendamt wolle der Familie in der gegenwärtigen Notlage helfen: "Wir sind bereit, die Familie eingehend zu beraten und zu unterstützen und mit ihnen gemeinsam Wege zu suchen, wie sie mit ihrem Geld besser klar kommen und eventuell staatliche Fördermittel beantragen können, damit auch die finanzielle Situation sich verbessert."
Vordringlichstes Problem sei jetzt die Wohnungsfrage. Stocker appelliert an das soziale Gewissen der Bürger und hofft auf Resonanz.
Wer helfen will, kann sich an Egon Stocker im Landratsamt wenden. Telefon 08261/995310.
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