Mit 54 Jahren kommt Katrin Eberle über Umwege zum Traumberuf Kinderpflegerin
Die Agentur für Arbeit begegnet dem Fachkräftemangel in der Betreuung mit einem "Kinderpflegeprojekt". Ein Modell, das im ganzen Unterallgäu Schule machen kann.
Katrin Eberle sitzt am runden Tisch des Kinderateliers und strahlt mit den kleinen Künstlerinnen und Künstlern um die Wette. Die heute 54-Jährige macht aktuell eine Ausbildung zur staatlich geprüften Kinderpflegerin im Kindergarten Eppishausen. "Ich wollte das schon seit meiner Kindheit machen", erzählt sie. Durch ein besonderes Qualifizierungsprogramm der Agentur für Arbeit erfüllt sich nun ihr Traum.
"Es gibt einen extremen Fachkräftemangel in der Kinderpflege und -betreuung", sagt Manuel Zeiler, Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit Mindelheim. Vor diesem Hintergrund sei das sogenannte "Kinderpflegeprojekt" gestartet worden, das Quereinsteigern oder ungelernten Assistenzkräften, die bereits in Kitas arbeiten, ermöglicht, eine zweijährige Ausbildung zu absolvieren.
Warum Eppishausens Bürgermeisterin das Kita-Projekt befürwortet
"Die Beschäftigten erhalten weiterhin ihr Gehalt, auf das sie für sich und ihre Familie angewiesen sind und können dabei einen Berufsabschluss erwerben", freut sich Zeiler. Auch für die Träger der Kindertageseinrichtungen sei das Projekt finanziell sehr interessant, da ein Großteil der Lohnkosten sowie der theoretische Teil der Ausbildung durch die Agentur für Arbeit übernommen werde. Allerdings stößt diese tolle Sache bisher nicht auf so viel Resonanz wie erhofft. "Ich finde es schade, dass so wenige mitmachen", sagt Susanne Nieberle, Bürgermeisterin von Eppishausen, die im Herbst vergangenen Jahres die Chance für den Kindergarten St. Michael ergriff und im Rahmen des Kinderpflegeprojektes zwei Auszubildende einstellte. Sie findet es wichtig, den Menschen die Möglichkeit zur Ausbildung zu geben, zudem würden Hilfskräfte im Betreuungsschlüssel nicht angerechnet und die Gemeinde bekomme keinen staatlichen Zuschuss. "Wir freuen uns über jede Kinderpflegerin, die wir bekommen können", betont sie.
Katrin Eberle aus Oberneufnach ist glücklich über diese Gelegenheit. Sie kommt ursprünglich aus den neuen Bundesländern und hat dort als junge Frau als Kindergartenhelferin gearbeitet. "Nach der Wende wurden die Ungelernten als Erstes entlassen", erinnert sie sich traurig. Ihr Traum, Erzieherin zu werden, blieb unerfüllt. Vor über 30 Jahren zog Eberle ins Unterallgäu und wurde Mutter von zwei Kindern. "Ich hatte verschiedene Jobs, um mich über Wasser zu halten", verrät sie und freut sich besonders, dass ihre heute 25-jährige Tochter ihren Traum in die Tat umsetzte. "Sie hat sofort gewusst, dass sie Erzieherin werden möchte."
Das Fachwissen teile sie nun gerne mit der Mama. "Es ist schwierig, wieder zur Schule zu gehen, es raucht einem der Kopf und es ist viel Neues", verrät Katrin Eberle, "im Schriftlichen bin ich froh, dass ich die Unterstützung meiner Tochter habe". Die Ausbildung sei insgesamt sehr spannend, freut sie sich, am schönsten sei es, wenn sich die Kinder freuen, sie zu sehen und voller Begeisterung mit ihr im Atelier malen und basteln.
So läuft die besondere Ausbildung der Kinderpflegerin
Drei Tage in der Woche ist Praxis im Kindergarten angesagt, an zwei Tagen besucht sie die Kolping-Akademie Kaufbeuren. Es sei eine Teilzeit-Ausbildung mit einem Minimum an 25 Wochenstunden, erzählt Susanne Nieberle. Die Bürgermeisterin freut sich, dass für die Gemeinde lediglich die Mehrkosten für zusätzliche Arbeitsstunden, Urlaubs- und Krankheitstage anfallen und der Großteil der Ausbildungskosten von der Agentur für Arbeit übernommen wird. Nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss sei eine Übernahme von beiden Seiten sehr erwünscht, sind sich Katrin Eberle und Susanne Nieberle einig. Derzeit werden mit dem teiloffenen Konzept des Kindergartens St. Michael 70 Kinder betreut, ab Herbst werden es 99 sein. "Die Gemeinde lässt es sich was kosten, dass die Kinder gut versorgt sind", betont Nieberle.
Das Kinderpflegeprojekt sei ein Modell, das noch eine andere Perspektive beinhaltet, gibt Manuel Zeiler zu bedenken. "Wenn mehr Leute in den Kindertageseinrichtungen arbeiten bedeutet das, dass die Eltern auch wieder mehr arbeiten können und Fachkräfte fehlen ja an allen Enden." Er hoffe, dass sich in Zukunft noch mehr Arbeitgeber und Arbeitnehmer für das Konzept interessieren. Um die Prüfung absolvieren zu können, sei das deutsche Sprachlevel B2 in Wort und Schrift erforderlich. Interessierte seien herzlich eingeladen, sich unter der E-Mailadresse mindelheim.arbeitgeber@arbeitsagentur.de zu melden.
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