Frust nach nächtlicher Abschiebung
Wie der Roggenburger Helferkreis überraschend aktiviert wurde und was ihn derzeit umtreibt
Eigentlich läuft alles hervorragend im Asyl-Helferkreis der Gemeinde Roggenburg: Es gibt genügend Leute, die mitmachen, und ausnahmslos integrationswillige Asylbewerber im Ort, welche die Kurs- und Freizeitangebote gerne nutzen. Doch unlängst hat eine Abschiebung die Unterstützer aufgeschreckt. Sie wirft ein Schlaglicht auf so manche Enttäuschung, die engagierten Freiwilligen bei ihrer Arbeit erleben.
Es war in der Nacht zum Freitag, gegen zwei Uhr, als die Polizisten kamen, um einen der derzeit 17 Bewohner des Asylbewerberheims in Biberach abzuholen. Es war bereits die dritte Abschiebung aus der dortigen Unterkunft. Alle Bewohner stammen aus Gambia, und daher sei klar, dass sie kaum eine Chance auf Asyl in Deutschland haben, sagt Gerd Grüner, einer von drei Koordinatoren des Helferkreises, „und da schenken wir den Asylbewerbern auch reinen Wein ein“. Doch er verstehe nicht, warum die Behörden mitten in der Nacht kommen, und auch nicht, warum diesmal alle anderen Bewohner ebenfalls aus den Betten geholt wurden, um deren Ausweise zu kontrollieren. Die Vorgehensweise habe bei den Schützlingen für große Verunsicherung gesorgt – und außerdem für einen Vertrauensverlust gegenüber den Asyl-Helfern. „Die haben gedacht, wir hätten das vorher gewusst“, sagt Wolfgang Meichelböck, der den Bewohnern bei ihren Alltagsproblemen zur Seite steht. Das werden sie jetzt ausbügeln und weitermachen. Sie haben ja ohnehin keinerlei Einfluss auf die Verfahren und die Bleibe-Aussichten der Bewerber.
„Natürlich haben wir alle Angst, dass sie uns auch holen“, sagt Flüchtling Ousman, der 21 Jahre alt ist. Er gehört zu den 20 Gambiern, die im Dezember 2017 nach Roggenburg kamen und seither in einem angemieteten Haus im Zentrum Biberachs leben. Angesichts der in der Vorweihnachtszeit überraschend angekündigten Ankunft reaktivierte sich damals der Roggenburger Helferkreis, der im Jahr zuvor gegründet worden war, aber nichts zu tun hatte, da 2016 doch keine Asylbewerber kamen, so Bürgermeister Mathias Stölzle.
Nun wurden die Helfer tätig, „es war erstaunlich, wie viele wieder dabei waren“, berichtet Gerd Grüner. Um die 50 Freiwillige sind aktiv dabei. So kommt es zu der sicher seltenen Konstellation, dass es in Roggenburg mehr Betreuer als zu Betreuende gibt. Doch auch in anderer Hinsicht, sagt Stölzle, sei die Situation in der kleinen Gemeinde eine Ausnahme im positiven Sinn. Denn die jungen Männer im Alter von 19 bis 32 Jahren stammen alle aus demselben Land und kamen als geschlossene Gruppe an. Sie kannten sich bereits aus dem Erstaufnahmelager in Donauwörth. Auch sprechen sie alle Englisch und kennen die lateinische Schrift, wenn auch Analphabeten dabei sind. Das alles erleichtere die Integration.
„Sie sind alle sehr höflich und zuvorkommend“, berichtet Gerd Grüner, und die Gambier seien offen auf die Einheimischen zugegangen, folgten etwa gleich zu Beginn der Einladung zu einer Weihnachtsfeier aus dem Ort. So baute sich die Skepsis in der Bevölkerung schnell ab, erzählt Stölzle. Im Januar kamen zwei weitere Bewohner ins Heim, die bereits eine Arbeitserlaubnis hatten und im Ortsteil Schießen als Produktionshelfer arbeiten.
Im Helferkreis bildeten sich schnell unterschiedliche Arbeitsbereiche: Sie boten Deutschunterricht an, der mittlerweile von einem Sprachkurs des Berufsbildungszentrums ergänzt wird. Die ersten 14 Absolventen haben ihn jetzt beendet – und ihre deutschen Helfer zur Abschlussfeier eingeladen. Andere Freiwillige kümmerten sich um Kleider- und Sachspenden für die Asylbewerber, wieder andere machen ihnen Freizeitangebote. Die Afrikaner seien begeisterte Fußballer, erzählt Matthias Wiehler, der die Freizeitgestaltung koordiniert und regelmäßig zum Training in die Roggenburger Turnhalle einlädt. Mittlerweile spielen sogar fünf der Flüchtlinge in der aktiven Mannschaft der SGM Ingstetten/Schießen mit. Und Helfer Werner Pawlitza, der sich um die Integration der Bewerber ins Arbeitsleben kümmert, weiß, wie gern die jungen Männer arbeiten gehen würden. Aber die meisten dürfen es nicht. Auch das ist für die Helfer ein Wermutstropfen. „Wir hätten hier kein Problem mit der Integration, man müsste uns nur lassen“, sagt Grüner dazu. Manchmal wünschen sie sich einfach mehr Verständnis, mehr Flexibilität, bei Behörden solle es menschlicher zugehen. Und sie wünschen sich mehr Wertschätzung. „Wir wollen keine Sonderrechte, aber unsere Arbeit hat Respekt verdient“, sagt Grüner.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um die Karte von Google Maps anzuzeigen
Hier kann mit Ihrer Einwilligung ein externer Inhalt angezeigt werden, der den redaktionellen Text ergänzt. Indem Sie den Inhalt über „Akzeptieren und anzeigen“ aktivieren, kann die Google Ireland Limited Informationen auf Ihrem Gerät speichern oder abrufen und Ihre personenbezogenen Daten erheben und verarbeiten, auch in Staaten außerhalb der EU mit einem niedrigeren Datenschutz Niveau, worin Sie ausdrücklich einwilligen. Die Einwilligung gilt für Ihren aktuellen Seitenbesuch, kann aber bereits währenddessen von Ihnen über den Schieberegler wieder entzogen werden. Datenschutzerklärung
Die Diskussion ist geschlossen.