Die Leiden des Herrn Karl
Albert Frank aus Wien spielte im Theater Neu-Ulm Helmut Qualtingers Meisterstück
„Die Österreicher haben eine makabere Art von Gemütlichkeit. Sie reagieren immer sehr warm und schnell, (…) aber unter all dieser Oberfläche steckt Grauenvolles. Es ist kein Zufall, dass Hitler oder Eichmann Österreicher waren.“ Diese Worte stammen von einem, der gut über die Verfassung der österreichischen Seele Bescheid wußte: Helmut Qualtinger. Der 1986 verstorbene Schauspieler, Kabarettist und Schriftsteller hatte wie kaum ein anderer die düsteren Seiten seiner Landsleute thematisiert und mit seinem Einpersonenstück „Der Herr Karl“ dem kleinen schwadronierenden Mitläufer ein Denkmal gesetzt. Hier sollte „Denkmal“ nicht als sakraler Epitaph, sondern als Anlass verstanden werden: „Denk mal!“ Denn der Herr Karl denkt dauernd nach – über sich, über die Welt und die stürmische Zeit von 1926 bis 1963, die er in Wien erlebte. Das erzählt er einem jungen Menschen und dabei offenbart sich das gedankenlos-banale Mitläufertum an sich – der „kleine Mann“, der mal „für die Roten“, dann wieder „für die Schwarzen“ und zuletzt für die Nazis demonstrierte. Der Anschluss Österreichs an Nazideutschland: „Ich mag das, wenn so viele Leute beisammen sind und ein Feuer brennt, das ist ein Naturschauspiel. Endlich hat der Wiener wieder Freude gehabt!“.
Drei Mal spielte der Wiener Schauspieler Albert Frank im Theater Neu-Ulm diesen zwiespältigen Kerl, der es im Grunde immer nur einfach haben wollte. Mit ordentlich Schmäh und dem rechten Maß an wehleidiger Rührseligkeit ließ Frank diesen Herumlavierer auf der Bühne entstehen und führte den Zuschauer durch alle emotionalen Zustände, die Qualtingers Figur dem Publikum abverlangt: Zustimmung, Abscheu, Mitgefühl und Verachtung. Frank vermied es sehr wohltuend, Qualtinger nachzuahmen. Das wäre auch unmöglich. Statt dessen erschafft er seinen eigenen Herrn Karl, kehrt die dämonische Seite des auskunftsfreudigen Lagerarbeiters heraus. Der Monolog von Helmut Qualtinger und Carl Merz aus dem Jahr 1961 hat nichts an Aktualität verloren; heute wäre es vielleicht ein Pegida-Anhänger, der seine Fremdenfeindlichkeit mit solchen Sätzen legitimierte: „Ich war Idealist!“
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