Jeder verführt jeden in der Hölle
Bei der Aufführung von Sartres Stück „Geschlossene Gesellschaft“ des Ulmer Akademietheaters sind die Zuschauer ganz nah am Geschehen.
Nachdem Joni-Beth Brownlee, Darstellerin der Figur der Estelle in Jean-Paul Sartres bekanntestem Stück „Geschlossene Gesellschaft“, nach einer Stimmbandentzündung wieder gesund ist, setzt das Akademietheater Ulm die Vorstellungen des Stückes fort, das am 27. April Premiere hatte. Unter der Regie von Larissa Zhivo entsteht aus Sartres existentialistisch analysierendem Drama ein sehr physisch präsenter Bühnenabend: Die Zuschauer können sich auf drei Seiten um die Bühne setzen, sodass sie ganz nah am Geschehen sind. Dieser unmittelbare Bezug zwischen dem Publikum und den drei Darstellern Leonie Hassfeld, Theodoros Tsilkoudis und Joni-Beth Brownlee ist mutig, lohnt sich aber und gibt der Aufführung große Dichte.
Alle drei starben in jüngster Zeit: Der Journalist Joseph Garcin, dem es zu Lebzeiten Spaß gemacht hatte, seine sensible, junge Frau zu quälen und zu betrügen, scheidet in Rio de Janeiro an einem Schwächeanfall dahin, ehe er wegen Desertierens vom Wehrdienst erschossen worden wäre; die lesbische Postangestellte Inès Serrano, die eine junge Ehefrau verführte, wurde von dieser bei einem erweiterten Selbstmord mit Gas umgebracht. Und die arrogante Pariserin Estelle Rigault verliert ihr Leben durch eine Lungenentzündung, nachdem sie sich – von ihrem Geliebten schwanger – in die Schweiz zurückgezogen hatte, wo sie das Kind zur Welt brachte und tötete. Estelle beobachtet ihre eigene irdische Beerdigung und die fehlende Trauer anderer. Dass sie sich in der Hölle befinden, wird allen drei – die sich „Abwesende“ nennen – bewusst, obwohl sie sich die Hölle dereinst ganz anders vorgestellt hatten. Ein bisschen zu warm ist es, aber Höllenqualen in Form irgendwelcher Foltern finden nicht statt. Der höllische Schrecken ist weitaus subtiler als im Leben erwartet.
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