Theater Neu-Ulm: Ein schlechter Mensch und seine zynische Sicht auf die Welt
Das Theater Neu-Ulm präsentiert Dostojewskis "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" als Monolog. Dabei werden auch Bezüge zur Gegenwart hergestellt.
Wer sich an Fjodor Dostojewski, den russischen Autor des 19. Jahrhunderts, wagt, ist sich gewiss, dass er keine Gute-Laune-Literatur verbreitet und seinen Zuschauern alles andere als einen locker unterhaltsamen Abend beschert. Mit "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" hat Heinz Koch vom Theater Neu-Ulm den Besuchern die schwere Kost des Schriftstellers in einem Monolog serviert.
"Ich bin ein kranker, ein schlechter Mensch und habe nichts Anziehendes an mir", gesteht die Figur gleich im ersten Satz seinen Zuhörern. Als ehemaliger Beamter hat sich die Hauptfigur Sergej Dimitroff seit Jahrzehnten in die selbst gewählte Isolation begeben. Von dort aus schildert er seine zynische Sicht auf die Welt. Boshaftigkeit hätte ihm schon immer das Leben versüßt, wenn er einst im Dienst seine Klienten zu Bittstellern erniedrigte. Der Mensch könne nicht wissentlich gegen seinen eigenen Vorteil handeln, lautet das Urteil des verbitterten Beamten. Bösartig und hässlich wie er selbst seien die Menschen, von denen er sich durch ein hohes Maß an Bildung unterscheide.
Das Stück basiert auf einem Roman von Fjodor Dostojewski
In der Einsamkeit des Kellerlochs steigert sich die fiktive Figur in seine selbst geschaffene düstere Realität hinein. Auch wenn Dostojewski diesen Roman in der Mitte des 19. Jahrhunderts verfasste, werden in diesem Stück aktuelle Parallelen sichtbar, wie etwa Menschen ihre Wahrheit in Filterblasen der Algorithmen erleben. Aktuell auch die Äußerungen, die Dostojewski vor rund 170 Jahren seiner Hauptfigur mit Blick auf die Gesellschaft in den Mund legte: "Welchen mildernden Einfluss hat die Zivilisation auf den Menschen gehabt?", fragt Dimittroff und stellt fest: "Die raffiniertesten Blutvergießer sind Menschen mit gar gewöhnlicher Erscheinung."
"Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" ist noch bis 26. September zu sehen
Heinz Koch hält dabei den rund eineinhalbstündigen Textmarathon souverän und ausdauernd durch. Dass er dabei eine Portion Bratkartoffeln zubereitet, scheint zwar nebensächlich. Doch alleine die umständliche und ungeschickte Art, die Koch dem Antihelden zukommen lässt, zeigt in durchdachter Form, wie wenig lebensfähig dieser Mensch wohl sein würde. Claudia Riese führte die Regie und verantwortete die Ausstattung des Stückes. Peter Gerter sorgt am Bajan musikalisch für dramaturgische Verschnaufpausen zwischen den Monologen. Zehn Stücke verschiedener russischer Komponisten begleiten die Textpassagen und ermöglichen den Zugang auf eine emotionale Weise. Noch bis zum 26. September sind die "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch" im Theater Neu-Ulm an der Hermann-Köhl-Straße zu sehen.
Die Diskussion ist geschlossen.