Vom wilden Bluesromantiker zum heißen Saxofon-Doppel
Ulm Weltstars wie das Saxer-Doppel-Maceo Parker und Candy Dulfer haben das Open Air an der Söflinger Klostermauer Sonntagabend den funkig-groovenden Kehraus beschert. Doch die Veranstalter - die Ulmer Agentur "Livekonzepte" und der Verein für Musikkultur in Söflingen - haben mit mehr Publikum gerechnet und müssen, wie schon im letzten Jahr, draufzahlen.
Massenkompatibler Pop wie ihn die Hooters oder Juli (an den ersten beiden Festivaltagen spielten, war noch nie das Ding von Willy De Ville. Nicht zuletzt deswegen war der Söflinger Klosterhof am Samstagabend auch nur zur Hälfte gefüllt. Doch diejenigen, die den wilden Romantiker des Rhythm´n´Blues tief in ihr Herz geschlossen haben, wurden nicht enttäuscht.
Dass die Musik das wichtigste in seinem Leben ist, zeigte der Perfektionist Willy De Ville bei "Heart & Soul". Zuerst feuerte er verbal den Tontechniker wegen einer Rückkopplung, dann verhaute die Band ihren Einsatz. Fazit: Willy De Ville ließ die zweite Strophe des Songs so lange spielen, bis alles passte. Dabei musste man in den Anfangsminuten seines Auftritts Angst haben, ob er das Konzert überhaupt durchstehen würde. Mit einem schwarzen Schleier vor dem Gesicht, kommt Willy De Ville auf die Bühne. Als er den Schleier lüftet, fährt einem der Schrecken tief in die Glieder. Ist das der selbe Mann, der früher mit einem schrägen Goldzahn-Lächeln jedes Frauenherz im Sturm eroberte?
Totenblass spannt sich die Haut pergamentartig über die knochigen Wangen und eingefallenen Augenhöhlen. Drogen, Alkohol und ein ausschweifendes Leben haben tiefe Spuren hinterlassen. Willy De Ville scheint seit seinem letzten Ulmer Auftritt in Ulm vor fünf Jahren um mindestens zwei Dekaden gealtert. Doch die Befürchtungen, dass sich dieser schnelle Alterungsprozess auch auf seine Musik auswirkt, sind schnell vergessen.
Schon "Spanish Stroll", zeigt nachhaltig: musikalisch ist Willy De Ville der "Alte" geblieben. Gut, seine Stimme ist längst nicht mehr so nuanciert. Dennoch transportiert der gebürtige New Yorker, der die meiste Zeit seines Lebens in New Orleans verbracht hat, große Gefühle immer noch wie kein anderer. Diese brüchige Stimme, die von Jahr zu Jahr immer tiefer in den Keller rutscht, ist schlichtweg einzigartig. Wohlige Schauer rieseln über den Rücken, wenn der wilde Romantiker des Rhythm´n´Blues Songs wie die TexMex-Ballade "Heart & Soul" anstimmt.
Es ist das letzte Konzert seiner 30-jährigen Jubiläumstour. Die Band, in der auch zwei alte Mitstreiter aus der Mink De Ville-Band zugange sind, wirkt streckenweise schon etwas müde. Vor allem die rockigeren Songs wie "Italian Shoes", "Savoir Faire" oder "Cadillac Walk" kommen nicht so richtig in die Gänge. Die Band tut ihr Bestes, ohne dabei wirklich inspiriert zu sein. Die beiden Backgroundsängerinnen agieren wirklich nur im Hintergrund.
Aber es waren nie die Rocker, die einem ganz tief unter die Haut gingen (Ausnahme: "White Trash Girl"), sondern eher die bluesbehafteten Balladen wie das süffisante "Bacon Fat" und die Texmex- und Latin-inspirierten Songs wie "Demasiado Corazon". Coverversionen, wie dem auf Null-Tempo heruntergebremsten "Heartbreak Hotel" von Elvis, dem in ein TexMex-Gewand gesteckte "Hey Joe" von Jimi Hendrix, Champion Jack´s swingendem "Dupree Blues", und der wohl beeindruckendsten Nummer des Abends - "Let it be me" von den Everly Brothers - einer wunderschön magischen Ballade, begleitet von den Kirchenglocken des nahegelegenen Kirchturms - versteht Willy De Ville stets mit eigenen Erfahrungen zu mischen und neues Leben einzuhauchen.
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