"Das Gehirn denkt nämlich in Bildern"
Bissingen. Manchmal vergisst Michael Jall, wo er seinen USB-Stick hingelegt hat. "Ich hab ihn dreimal verlegt - aber auch dreimal zufällig wiedergefunden", sagt der hochbegabte Zwölfjährige mit einem Lausbubenlächeln. Dabei hat der Bissinger ein super Gedächtnis. In fünf Minuten kann er sich 30 Zahlen einprägen, zwölf Spielkarten und sich 24 Namen zu unbekannten Gesichtern merken. Bei der süddeutschen Gedächtnismeisterschaft hat er dieses Jahr den dritten Platz belegt.
Seit zweieinhalb Jahren trainiert der Siebtklässler regelmäßig. Jeden zweiten Freitag besucht er den Kurs "Kreatives Denken" von der Hochbegabtenförderung Bayerisch-Schwaben. Dort geht es aber nicht nur darum, stur immer wieder ellenlange Ziffernblöcke auswendig zu lernen. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern entziffert er Geheimschriften, löst knifflige Rätsel.
Die Denksportaufgaben braucht Michael als Ausgleich. "Manche Kinder spielen dafür eher Fußball, aber bei Michael bewirkt man da das Gegenteil", sagt seine Mutter. Nach zwei Stunden rätseln und denken sei er geschafft. "Sein Lieblingshobby" nennt der Zwölfjährige, der Klavier, Schach und Tischtennis spielt, deshalb das Gedächtnistraining.
Nützliches Hobby
Ein nützliches Hobby, schließlich übt er da Fähigkeiten, die er auch in der Schule gut brauchen kann. "Naja, im Kurs ist mehr das Kurzzeitgedächtnis gefragt", wendet Michael ein. Beim Vokabelpauken oder wenn er geschichtliche Daten lernen muss, hat er es ähnlich schwer wie seine Klassenkameraden auf dem Dillinger Johann-Michael-Sailer-Gymnasium. Wörter und Jahreszahlen müssen nämlich ins Langzeitgedächtnis. Trotzdem: Michael hat so manchen Trick auf Lager, wie man sich alle möglichen Dinge einfacher merken kann. Telefonnummern zum Beispiel. Wenn der Zwölfjährige eine Handynummer zitiert, klingt das in etwa so: 0160 Hand, 31, dann kommt der Schwan ... "Das Gehirn denkt nämlich in Bildern", weiß Michael. Deswegen gehört zu jeder Zahl zwischen null und 100 ein Symbolbild. Die Hand etwa hat fünf Finger, so steht sie für die Zahl fünf. Der Schwan hat einen gebogenen Hals, der an eine Zwei erinnert. Und dann überlegt sich Michael eine kleine Story, in der alle Bilder in der entsprechenden Reihenfolge vorkommen. Noch leichter fällt es dem aufgeweckten Buben, wenn beim Lernen nicht noch nebenher der Staubsauger lärmt oder der Fernseher läuft. Beim Gedächtniswettbewerb bekommen die Teilnehmer deswegen Kopfhörer. Neue Namen merkt sich der Gymnasiast leichter, wenn er sie mit einfachen Begriffen verbindet. Das geht in etwa so: Martina kuckt immer so traurig. Deshalb muss sie zur Aufmunterung auf ein Schiff. Martina Schiffner. Seine Familie hat Michael angesteckt. Im Winter hat er über eine lustige Geschichte die Namen der deutschen Bundesminister gelernt. Die erzählt er ab und zu. Schließlich gehören diese Informationen unbedingt ins Langzeitgedächtnis.
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