Gutachter: Ex-Polizist ist voll schuldfähig
Augsburg/Nördlingen (hum) - Der fünfte Prozesstag um den Rieser Ex-Polizisten, der zahlreicher Sexualdelikte bezichtigt wird, ist bestimmt von der Aussage des Gutachters Dr. Michael Schulte. Er bestätigt dem Angeklagten seit 2004 leichte bis mittelschwere Depressionen, die auch gegenwärtig aufgrund der Prozessbelastung in der psychiatrischen Abteilung des Donauwörther Krankenhauses stationär behandelt werden. Dem Angeklagten ist die Belastung anzusehen; die letzten beiden Verhandlungstage verfolgte er mit aschgrauem Gesicht und geröteten, geränderten Augen. Gestern musste Dr. Schulte in einer halbstündigen Diagnose erst die Verhandlungsfähigkeit feststellen.
Massive Eheprobleme seit Ende der 90er Jahre vor dem Hintergrund einer gestörten Persönlichkeit waren wohl der Ausgangspunkt des zunehmend abnormalen Verhaltens. Dr. Schulte schätzt den Angeklagten der damaligen Ehefrau gegenüber als unterlegen ein, was ihn aufgrund einer narzisstischen Persönlichkeit kränkte. So zog er sich zunehmend von Frau und Familie zurück, was schließlich die Depressionen und den Leistungsabfall zu Hause mit sich brachte. Diese Situation kompensierte er im Sport und im Dienst. Daher erklären sich auch die unterschiedlichen Persönlichkeitszüge á la Dr. Jeykill und Mr. Hyde, die etliche Zeugen feststellten, ohne dass nur im entferntesten eine krankheitsbedingte Persönlichkeitsspaltung vorlag.
Selbstmordgedanken
Im Tatzeitraum von 2004 bis 2007 äußerten sich die Depressionen in schwergradigen Episoden mit Selbstmordgedanken. Um sein Gefühl der Unterlegenheit auszugleichen, suchte der Mann Kontakt zu Frauen "auf seiner Wellenlänge", denen er überlegen war und oft Hilfe bieten konnte. Die Verbindung zwischen Hilfe und sexuellen Beziehungen sei laut Dr. Schulte durchaus kein ungewöhnliches Muster bei Sexualdelikten. "Er war fähig, Unrecht zu erkennen", lautete der entscheidende Satz des Gutachters. Er empfahl eine psychiatrische Behandlung des sexuellen Fehlverhaltens und der Depressionen.
Auf Antrag der Verteidigung wurde ein Diplom-Sozialpädagoge aus dem polizeipsychologischen Dienst des Polizeipräsidiums Schwaben als Zeuge befragt. Er hatte die langfristige Diensttauglichkeit angezweifelt. Der ehemalige Polizist habe aber seine Suizidgedanken schnell widerrufen und bewusst versucht, schnell wieder als diensttauglich zu gelten.
Ein Zeuge, den die Verteidigung beantragt hatte und der belegen sollte, dass ein anderer Beamter die Depressionen herab spielte, wurde vom Gericht abgelehnt mit der Begründung, die Aussage wäre ohne Bedeutung für den Fall. Es ging um den Beamten, der auch einer Zeugin gegenüber die Depressionen als "Getue" abgetan haben soll (wir berichteten). Das wies der Beamte von sich und erklärte, die fragliche Vernehmung sei, allerdings mit Unterbrechungen, auf Tonband aufgezeichnet worden. Zur Klärung des Spitznamens "Dumpfbacke", unter dem die Hauptgeschädigte auf der Nördlinger Polizeiinspektion bekannt war, bot Richter Rothermel eine Wikipedia-Definition an, nach welcher der Begriff eine dümmliche, realitätsferne Person mit wenig Einfühlungsvermögen zeige. Rechtsanwalt Alexander Knief zeigte sich damit nicht zufrieden, da in der US-Fernsehserie, aus der der Begriff stammt, damit auch die Mannstollheit der damit bezeichneten Frau ausgedrückt werde. Knief stellte den Antrag vorläufig zurück, vor Gericht ein Bild von der Serie zu vermitteln, nachdem die Diskussion über den Umfang der Vorführung fruchtlos verlaufen war. Das Urteil fällt wohl am kommenden Freitag.
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