Warteschlange bei Erstimpfungen: "Man kann nirgendwo mehr hingehen"
Nachgefragt in der Warteschlange beim Sonderimpftermin in Nördlingen: Was bewegt die Menschen nun doch zur Erstimpfung?
Morgens um halb neun hat sich an diesem Samstag bereits eine lange Schlange vor dem Impfzentrum in Nördlingen gebildet. Das Bayerische Rote Kreuz, welches das Zentrum betreibt, bietet an diesem Sonderimpftermin vor allem Erstimpfungen an. In der Warteschlange stehen jüngere und ältere Menschen, ein zwölfjähriger Schüler, ein Student, ein Ehepaar, eine junge Mutter, die erst abgestillt hat, Arbeitnehmer. Was hat die Menschen hier dazu bewogen, sich nun doch impfen zu lassen?
„Mir bleibt nichts anderes mehr übrig“, sagt Martin Berndorfer, der sich gezwungen sieht und auf seine Familie Rücksicht nehmen will. „Man muss ja wieder irgendwohin gehen können, und wegen der Arbeit, man wird ja nur noch drangsaliert“. Wegen des Virus’ lasse er sich jedoch nicht impfen, stellt er klar. Er kritisiert die Darstellung der Lage als eine „Pandemie der Ungeimpften“.
Erstimpfling in Nördlingen: Man kann nirgendwo mehr hingehen
„Das kann nicht sein, das glaubt doch kein Mensch“, meint er, denn die Ungeimpften würden täglich getestet; die Geimpften hingegen könnten, weil sie sich nicht mehr testeten, überall hingehen und das Virus unbemerkt verbreiten, wie zum Beispiel in Discos, Bars, auf dem Karneval oder bei anderen Großveranstaltungen wie in der Dortmunder Westfalenhalle, wo vor Kurzem Tausende Besucher mit der 3G-Regel gewesen seien.
Wenn von dieser Menge nur ein Prozent der Geimpften positiv sei, dann sei zwei Wochen später der Teufel los - so wie jetzt mit den täglich sehr hohen bundesweiten Infektionszahlen. Ein paar Meter weiter steht Axel Bellm in der Warteschlange. Er ist zum Sonderimpftermin gekommen, weil man fast keine andere Möglichkeit mehr habe, wie er sagt. „Man kann nirgendwo mehr hingehen, es ist traurig.“
Morgens vor der Arbeit kann er keinen Test machen
Dass an der Arbeitsstelle getestet werde, findet Bellm in Ordnung, aber auch er kritisiert, dass die Geimpften nicht ebenso getestet werden. Stefan Kleinhenz hatte Corona im Mai, da er seit zwei Tagen genesen ist, lasse er sich heute impfen, sagt er. „Ich wollte mich von Anfang an impfen lassen.“ Während der sechs Monate, die er als genesen galt, habe er sich aber nicht impfen lassen können.
Dr. Hubertus Hahn arbeitet im Büro. Ihn hätten der erhöhte Druck durch die Politik und die aktuellen Beschlüsse dazu bewogen, sich impfen zu lassen, sagt er. „De facto ist es ein Zwang“, meint Hahn. Da er frühmorgens bereits im Büro sein müsse und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahre, habe er das Problem, dass er sich frühmorgens noch nicht testen könne.
„Man kommt ja gar nicht mehr an die Arbeit“, sagt er, „mir ist völlig unklar, wie die Politik sich das vorstellt und wie das realisiert werden soll.“ Hahn hatte in der Vergangenheit bereits Corona und wollte sich nach den sechs Monaten nicht gleich impfen lassen, weil er sich noch für ausreichend geschützt hielt und eine Impfung auch mit einem Risiko verbunden sei, wie er sagt. Wegen der politischen Maßnahmen, die de facto einem Impfzwang entsprächen, lasse er sich nun aber impfen.
Schulfreund will mit Simon Güntner ins Kino gehen
Simon Güntner steht in der Schlange, weil ihn ältere Vorbilder aus dem Freundes- und Bekanntenkreis von der Impfung überzeugt haben; ein Angehöriger der Bundeswehr habe ihm beispielsweise gesagt, dass die Impfung schon ratsam sei. Dass an seiner Arbeit ein Nachweis verlangt werde, habe auch eine Rolle gespielt.
Zuletzt habe ein Kumpel aus der Schulzeit ihn dazu überzeugt, weil er mit ihm mal wieder ins Kino gehen wollte und das ständige Testen empfinde Simon Günter auch als nervend.
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