
Weltkrebstag: "Es geht eine Schlacht los, und auf deiner Seele ist das Schlachtfeld"


Zwei junge Frauen haben ihre Männer verloren – und sind Freundinnen geworden. Zum Weltkrebstag erzählen sie ihre Geschichte.
Stephanie und Johanna haben im Jahr 2021 ihre Männer (und Familienväter) an den Krebs verloren. Beide sind Mitte 30 und jetzt alleinerziehende Mütter von kleinen Kindern, inzwischen drei, sechs und sieben Jahre alt. Den beiden Freundinnen ist von heute auf morgen alles genommen worden, was sie sich von ihrem Leben im Landkreis Donau-Ries erträumt haben: Beziehung, glückliche Ehe, Familie, gemeinsame Zukunft. "Sobald die Diagnose da ist, geht der Kampf los. Es ist von einer Sekunde auf die andere nichts mehr, wie es war", sagt Johanna. Stephanie pflichtet ihr bei: "Es geht eine Schlacht los, und auf deiner Seele ist das Schlachtfeld."
"Müssen akzeptieren, was wir uns nicht ausgesucht haben"
Und die Schlacht dauere an, egal, wie lange das Unausweichliche schon her ist. "Wir müssen akzeptieren, was wir uns nicht ausgesucht haben", sagt Stephanie weiter. Während sich die meisten im jeweiligen Freundeskreis in diesem Lebensabschnitt mit Familienplanung beschäftigen, begleiten die beiden ihre Männer in den Tod. Müssen dem Menschen, den sie lieben und mit dem sie Kinder haben, ohnmächtig beim Sterben zusehen. "Man wird in ein Leben katapultiert, das so weit entfernt von jeglichem Alltag ist", sagt Stephanie, "das niemand, der das nicht erlebt hat, ansatzweise nachvollziehen kann."
Als Partnerinnen müssen sie funktionieren, um ein Familienleben am Laufen zu halten. Die Frauen erzählen, dass sie nicht nur ihre eigene Trauer beschäftigt, sondern auch die der Kinder. Zusätzlich erschwere das alles die Tatsache, dass die Umgebung, die Gesellschaft, nicht verstehe oder sich nicht vorstellen könne, wie sehr auch kleine Kinder alles mitbekommen. Der Tod aber sei für sie noch nicht greifbar. Die Kleinen wüssten nur, dass Mama unsäglich traurig ist und sie selbst den Vater vermissten.
Den Kindern bleibt verwehrt, mit Mama und Papa aufzuwachsen, sie verlieren eine gemeinsame Zukunft. Dinge, die eigentlich schön sind, zusammen Essen, Geburtstage, Urlaub oder Weihnachten werden für alle Betroffenen zur emotionalen Zerreißprobe. Die Mütter werden vom Teamplayer zu Einzelkämpferinnen für sich selbst und das relative Wohlergehen ihrer Kinder, ständig begleitet von Zukunftsängsten, Existenzängsten und Schuldgefühlen gegenüber den Kindern. "Das Leben hat für uns die Unschuld verloren", stellt Johanna fest, "wir leben eine unwirkliche Wirklichkeit."
Die trauernden Frauen gründen eine Art Selbsthilfegruppe
Trauer koste viel Kraft und oft hätten sie diese nicht mehr, um auch noch am sogenannten normalen Leben teilzunehmen, Einladungen anzunehmen, auf Feste oder Konzerte zu gehen. "Du musst doch mal raus, du solltest mal was unternehmen" – solch gut gemeinten Ratschläge brächten sie nicht weiter. Oft genüge nur ein kleines Detail, eine Bemerkung, ein Erinnerungsschnipsel, und die Traurigkeit komme wieder. "Trauernde muss man aushalten" – dieses Aushalten wünschen sich beide von ihrem Umfeld, dass man zwar auf sie zugeht und Möglichkeiten anbietet, aber auch akzeptiert, wenn es nicht geht.
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"Der Krebs ist ein Arschloch", meinen die beiden, er trenne die Menschen in zwei Welten. Nur mit dem gleichen Schicksal könne man nachvollziehen, was einem gerade passiert. Deshalb – und aus ihrer persönlichen Erfahrung der gegenseitigen Hilfe-Freundschaft – wollen die Frauen aus dem Landkreis Donau-Ries eine Art Selbsthilfegruppe ins Leben rufen und bitten Elternteile mit einem ähnlichen Schicksal und Kindern bis zehn Jahren, sich bei ihnen zu melden. Sie wollen damit die Möglichkeit schaffen, sich gegenseitig zu unterstützen, Motivation und Kraft schöpfen zu können, das Erlebte zu ertragen. Und vor allem, dass die Kinder sehen und erleben, dass sie nicht allein sind, dass ein gemeinsames Schicksal auch verbinden kann. Kontakt für Betroffene unter "das-leben-mit-trauer@gmx.de".
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