Ist Scheidung per SMS und E-Mail erlaubt?
Darf sich ein Mann per SMS oder E-Mail von seiner Frau scheiden lassen? Diese Frage beschäftig derzeit ägyptische Richter und Theologen. Auslöser war ein verpasster Anruf und eine folgenschwere SMS eines enttäuschten Ehemannes.
Kairol (AFP) - Darf sich ein Ägypter per SMS oder E-Mail von seiner Frau scheiden lassen? Diese Frage beschäftigt die Gerichte und Theologen des Landes, seit die Ingenieurin Ikbal Abul Nasr Anfang des Jahres wegen einer solchen elektronischen Botschaft vor ein Familiengericht gezogen ist.
Sie hatte einen Anruf ihres Mannes verpasst, was dieser mit einer SMS mit den Worten "Ich lasse mich scheiden, weil Du Deinem Mann nicht geantwortet hast" quittierte. Nun will Nasr nichts mehr von ihrem Mann wissen und verlangt von der Justiz, die Scheidung rechtskräftig zu bestätigen. Dass der Prozess noch immer anhängt, liegt vor allem an der Scharia - der religiösen islamischen Rechtssprechung. Denn diese sieht keine Regelung über Scheidungen auf elektronischem Wege vor.
Der Fall beschäftigt nicht nur die ägyptischen Gerichte und Medien sondern stellt das Land noch vor eine ganz andere Herausforderung: Die Frage der Vereinbarkeit von Persönlichkeitsrecht mit moderner Technologie und islamischer Tradition. Nach islamischem Recht muss ein Mann gegenüber seiner Frau von Angesicht zu Angesicht und vor Zeugen drei Mal die Scheidungsabsicht mitteilen. Dann ist die Trennung rechtskräftig. Auch Abul Nasrs Mann hielt sich an die dreimalige Mitteilung, vor der endgültigen Nachricht hatte er ihr zuvor bereits zweimal per SMS die Scheidung verkündet. Doch der Fall bleibt umstritten.
Alle sechs Minuten werden in Ägypten Scheidungsabsichten erklärt. In acht von zehn Fällen geht die Initiative dabei auf die Männer zurück. Im Gegensatz zu den Frauen müssen sich die Männer auch nicht vor Gericht präsentieren, um die Scheidung rechtskräftig zu machen. In einem anderen spektakulären Fall erhielt eine 20-jährige Frau eine E-Mail ihres 13 Jahre älteren Mannes, in der er ihr die Trennungsabsicht mitteilte. Der jungen Frau reichte es damit: Mit einer Kopie des elektronischen Briefes ersucht sie nun vor Gericht die Rechtsgültigkeit ihrer Scheidung.
Der Einsatz elektronischer Medien bei der Scheidungserklärung wird kontrovers diskutiert. "Mobiltelefone oder das Internet können ein Weg sein, um eine Scheidungsabsicht mitzuteilen, doch ihr muss eine persönliche Gegenüberstellung folgen", sagt der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes, Hassan Mansur. E-Mails und SMS seien keine perfekten Kommunikationsmittel: "Handys können gestohlen werden und es gibt Internetpiraten." Abdallah Baga, Richter eines Familiengerichts, sieht sie hingegen als Chance für die Frauen. Sofern die Justiz die Authentizität der Nachrichten feststelle, könnten die Frauen sie "durchaus als Mittel verwenden, um die elektronische Scheidung durchzusetzen".
Von der höchsten geistlichen Autorität gibt es bislang noch keine Fatwa - ein Rechtsgutachten zu einem mit religiösen Fragen verbundenen Problem - die die elektronische Scheidung von theologischer Seite her besiegelt. "Wenn jedoch zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der Ehemann der Absender ist, gibt es keinen Grund, die Scheidung nicht zuzulassen", sagt Fawsi el Sifsaf vom Komitee für islamische Studien in El Ashar. Der Leiter der Fatwa-Abteilung der Internetseite IslamOnline ist da anderer Meinung: "Unsere Gutachten lehnen eine elektronische Scheidung entschieden ab. Man kann seine Frau zwar auf diese Art über seine Absichten informieren, doch das hat keinerlei Rechtsgültigkeit."
Frauenrechtsorganisationen in Ägypten sehen noch ein anderes Problem. Die elektronische Scheidung könnte für Männer ein bequemer Weg sein, offene Konfrontationen mit ihrer Frau zu vermeiden. In Ägypten sind Frauen bei der Scheidung benachteiligt. Seit 2000 dürfen auch sie die Scheidung zwar initiieren, verzichten damit aber auf jegliche finanzielle Rechte. Eine Scheidung auf Kosten des Mannes durchzusetzen, etwa im Fall von Gewalt oder Untreue innerhalb der Ehe, ist beinahe unmöglich.
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