Der Erpresser und sein Sektenführer
Es vergeht kein Tag ohne neue Details und Spekulationen im Fall der BMW- und Altana-Großaktionärin Susanne Klatten. In den Mittelpunkt rückt dabei insbesondere die Frage, wer der eigentliche Drahtzieher der Erpressungen war.
München (ddp). Eine betrogene Seniorin, ein charmanter Krimineller, eine obskure Sekte und ein vermeintlicher Wunderheiler: Ein Dreivierteljahr hielten italienische und deutsche Ermittler den Namen des berühmten Erpressungsopfers einer italienisch-schweizerischen Kriminellenbande erfolgreich geheim, jetzt vergeht kein Tag ohne neue Details und Spekulationen im Fall der BMW- und Altana-Großaktionärin Susanne Klatten. In den Mittelpunkt rückt dabei insbesondere die Frage, wer der eigentliche Drahtzieher der Erpressungen war.
Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegenwärtig ausschließlich gegen den Schweizer Helg S., wie Oberstaatsanwalt Anton Winkler am Dienstag auf ddp-Anfrage sagte. Ermittlungen gegen B. - den mutmaßlichen Drahtzieher des Betrugs- und Erpressungsfalls - gebe es "derzeit nicht". "Das läuft alles in Italien", betonte Winkler.
Dabei führte S. jüngsten italienischen und schweizerischen Medienberichten zufolge möglicherweise als Sektenjünger nur die Anweisungen seines Gurus Ernano B. aus. Dieser soll seit den 90er Jahren mit seinen angeblichen Wunderkräften Anhänger um sich scharen. Nach einem Bericht des Schweizer "Tagesanzeigers" erhielt er von seinen Jüngern große Geldsummen für seine "Leistungen", unter anderem auch ihre gesamten Pensionskassengelder. B. soll sich selbst als Bote oder Werkzeug Gottes bezeichnet haben. Helg S. gehört laut Medienberichten der Sekte schon mindestens seit 1995 an. Ein "Sektenexperte" kommt sogar zum Schluss, S. sei von seinem Führer "stark abhängig gewesen".
Gegen B. gab es offenbar schon in den 90er Jahren in der Schweiz und in Italien Ermittlungen, die jedoch wieder eingestellt wurden. Zuletzt wurde B. als der "Prinz von Pecosansonesco" bezeichnet, jenes Abruzzenorts, in dem er eine noble Landresidenz betreibt. Selbst Politiker und Bischöfe sollen sich dort gerne einige Tage entspannt haben.
Italienische Ermittler zeigten sich schon vor Monaten, als der Name des berühmten Opfers noch geheim gehalten wurde, überzeugt, dass S. lediglich Handlanger sei. Der "Kopf" der Verbrecherbande, zu der auch die beiden Kinder des Sektengurus und die Ehefrau von S. gehören sollen, sei B. gewesen. Allerdings war der heute 63-Jährige den Ermittlungen zufolge auch aktiv an der Erpressung beteiligt: Er soll die Treffen von S. mit Klatten in Hotels jeweils aus dem Nebenzimmer gefilmt haben, um die Milliardärin anschließend erpressen zu können.
Zugleich werden immer neue Betrugsfälle des "Gigolos" S. bekannt. Laut "Tageseinzeiger" soll S. bereits 2001 in Genf wegen der Klage einer 83-jährigen Schweizer Millionärin verhaftet worden sein. Er habe mit der Frau Heiratspläne geschmiedet und sich damit Millionen Schweizer Franken erschlichen, ohne sie erpressen zu müssen. Einen großen Teil der Summe habe S. aber zurückgezahlt und so erreicht, dass die Millionärin ihre Klage zurückzog.
In den Jahren 2005 bis 2007 ergaunerte S. dem Bericht zufolge mit seinen Lügengeschichten außerdem von der Frau eines Unternehmers aus der Möbelindustrie mehr als zwei Millionen Euro. Die Frau soll dazu sogar Kredite aufgenommen haben, die sie noch heute abzahle. S. habe bald aber noch mehr verlangt - woraufhin die Unternehmergattin ihren Züricher Anwalt eingeschaltet habe.
Aber erst die Strafanzeige Klattens im Januar 2008 brachte zunächst S. und später auch B. hinter Gitter. Die wohl reichste Frau Deutschlands soll dem attraktiven Schweizer zunächst 7,5 Millionen Euro gegeben haben, um ihm in einem angeblichen Konflikt mit der Mafia zu helfen. Später soll S. sie mit kompromittierenden Aufnahmen erpresst haben.
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