Flutkatastrophe: Politiker räumen Fehler ein
Istanbul (dpa) - Türkische Politiker haben nach der schwersten Flutkatastrophe in Istanbul seit Jahrzehnten Fehler im Hochwasserschutz und der Städteplanung eingeräumt.
Während am Donnerstag Treibgut und weggeschwemmte Fahrzeuge mit schwerem Gerät geborgen wurden, lief die Suche nach mindestens acht Vermissten weiter. Die Zahl der geborgenen Leichen stieg auf 32. Als "Katastrophe des Jahrhunderts" hatte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Überschwemmung am Vorabend bezeichnet. Er versicherte, aus dem Unglück würden Lehren gezogen. In Flussbetten zu bauen, werde nicht mehr erlaubt.
In den von schlammigen Fluten überspülten Gebieten im Westen Istanbuls gab es ein Bild der Verwüstung: Angeschwemmte Fahrzeuge, Industriegüter, Plastik und Müll bildeten große Haufen. Gebäude waren beschädigt oder zerstört. Die Wirtschaftszeitung "Referans" erinnerte daran, dass es in dem vor allem betroffenen Gebiet im Westen Istanbuls bereits 1995 zu Überschwemmungen gekommen sei. Allerdings seien die Schäden damals geringer gewesen. Nach Angaben eines Istanbuler Wirtschaftsverbandes sind nach den Fluten in der Stadt Sachschäden in Höhe von umgerechnet etwa 62 Millionen Euro zu erwarten.
Nach der Katastrophe mehrten sich in der Türkei Stimmen, die den weit verbreiteten ungenehmigten Bau von Häusern kritisierten. Dies habe wesentlich zum Ausmaß der Katastrophe beigetragen, räumten Politiker ein. Für das Unglück seien Menschen verantwortlich, nicht die Natur, wurde der Oberbürgermeister von Istanbul, Kadir Topbas, zitiert. Er forderte größere Sorgfalt bei der Auswahl von Standorten für Bauten. In anderen Ländern hätten Regenstürme nicht solche Folgen, sagte Transportminister Benali Yildirim. In der Türkei würden erst illegal Wohngebäude errichtet, dann werde die nötige Infrastruktur gebaut. Bürger und Behörden hätten Fehler gemacht.
In einigen Teilen der Nordwest-Türkei waren die stärksten Regenfälle seit Jahrzehnten gemessen worden. Seit Dienstag waren pro Quadratmeter 220 Liter Wasser niedergegangen, teilten die Behörden mit. Im ganzen September habe es im Schnitt der vergangenen Jahre jeweils 35 Liter pro Quadratmeter geregnet.
Die Umweltschutzorganisation WWF warf den Behörden in der Türkei Versagen vor. Illegale, aber von der Stadtverwaltung tolerierte Siedlungen, teilweise sogar in ausgetrockneten Flussbetten oder natürlichen Überschwemmungsgebieten, seien bei Hochwasser besonders gefährdet. "Zerstörte Siedlungen in Hochwasserrisikogebieten dürfen nicht wieder aufgebaut werden. Man muss dem Wasser natürliche Abflusswege zugestehen", fordert Martin Geiger, Leiter des Bereichs Flussmanagement und Süßwasser beim WWF Deutschland, am Donnerstag.
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