Polizei hat erste Anhaltspunkte - Marco M. wollte Waffen schmuggeln
Zwei Tage nach dem Sechsfachmord von Duisburg hat die Polizei erste Anhaltspunkte. Eines der Opfer, Marco M., soll damit beschäftigt gewesen sein, Waffen nach Italien zu schmuggeln.
Duisburg/Rom (dpa) - Bei der Aufklärung des sechsfachen Mordes vonDuisburg konzentriert sich die Polizei auf die Fahndung nach zweiMafia-Killern. Nach der Veröffentlichung eines Phantombildes gingen amFreitag bei der Mordkommission erste Hinweise auf Verdächtige ein.
DasPhantombild, mit dem auch in Italien gefahndet wird, zeigt dendunkelhaarigen Fahrer des Fluchtwagens. Zu dem zweiten Mann, der mitdem Gesuchten nach der Bluttat am Mittwoch geflüchtet war, gab es keineBeschreibung. Unterdessen wurde der Ruf nach einer engereninternationalen Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden lauter.
Nochist unklar, ob es sich bei den Tätern um Auftragskiller oder Mitgliedereines Mafiaclans handelt und ob sich die Männer noch in Deutschlandaufhalten. Offen ist zudem, ob die Täter eigens aus Italien angereistwaren oder schon länger im Ruhrgebiet lebten. Bei der nächtlichenBluttat waren vor einem italienischen Restaurant in der DuisburgerInnenstadt nach einer Geburtstagsfeier sechs Italiener im Alterzwischen 16 und 38 Jahren erschossen worden. Fünf der Opfer stammtenaus dem kalabrischen San Luca.
Carabinieri haben in der Nacht zumFreitag mehrere Häuser in San Luca und der näheren Umgebung durchsucht.Fünf der sechs Opfer stammten aus dem Ort. Die italienische Polizeihofft, dort Hinweise auf die Hintermänner der Morde von Duisburg zufinden. Zudem wurden mehrere Verdächtige und Verurteilte überprüft, diebereits unter Hausarrest stehen, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.
Einesder Mordopfer soll nach Berichten italienischer Medien von deritalienischen Polizei überwacht worden sein. Wie die Zeitung "Corrieredella Sera" berichtete, wollte der 25-jährige Marco M. in Deutschlandoffenbar Waffen kaufen und nach Italien schmuggeln. Er gehörte dem ClanVottari-Pelle-Romeo in San Luca an. Telefonüberwachungen hättenergeben, dass er unter anderem auf der Suche nach Maschinenpistolenwar, die in der Blutfehde mit dem Clan Strangio-Nirta zum Einsatzkommen sollten. Die Killer hätten in Duisburg zugeschlagen, bevor diePolizei zugreifen konnte. Einen internationalen Haftbefehl gab es nachPolizeiangaben nicht.
Marco M. - er war erst kürzlich nachDeutschland eingereist - soll an der Ermordung der Ehefrau einesverfeindeten Mafia-Paten beteiligt gewesen sein. Maria Strangio, Fraudes mutmaßlichen Clan-Chefs Giovanni Nirta, war im vergangenen Dezembergetötet worden. Dies gilt Medienberichten zufolge bei den Ermittlernbisher als Hauptmotiv für die Bluttat. Durch den Mord war die seit 16Jahren dauernde Fehde zwischen den Familien Strangio-Nirta undVottari-Pelle-Romeo neu aufgeflammt. Warum Marco M. als Verdächtigernicht in Haft saß, ist unklar. Das Innenministerium in Rom wollte sichnicht dazu äußern. Ministerpräsident Romano Prodi versicherte, dieitalienische Regierung habe einen "enormen Kampf" gegen dasOrganisierte Verbrechen begonnen.
Unterschiedliche Darstellungengibt es zur Qualität der internationalen Zusammenarbeit der Behörden:"Die Rechtsverhältnisse der Bundesländer und der Mitgliedstaaten derEuropäischen Union sind aufgrund politischer Defizite noch lange nichtoptimal", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der DeutschenPolizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Dagegen bezeichnete der Chef desLandeskriminalamts in Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Gatzke, denAustausch zwischen den internationalen Polizeibehörden als "sehr gut".Nur bei förmlichen Rechtshilfeersuchen "wünschen wir uns, dass mancheDinge schneller gehen."
In den vergangenen sieben Jahren wurdenlaut Bundeskriminalamt mehr als 40 Italiener in Deutschlandfestgenommen, die einer Mafiaorganisation zugerechnet wurden und inItalien zur Festnahme ausgeschrieben waren. Dazu zählten auch einigeder meistgesuchten Mafiosi Italiens. Die EU-Polizeibehörde Europolwarnte vor der immer stärkeren internationalen Verknüpfung derOrganisierten Kriminalität. Die Mafia spiele dabei in Europa immer nocheine wichtige Rolle, sei aber nicht vorherrschend.
Einer dergetöteten Italiener, Sebastiano S., war Ende 2005 aufgrund einesitalienischen Haftbefehls in Amsterdam verhaftet worden. Er wurde anItalien ausgeliefert. In den Niederlanden liefen keine Ermittlungengegen den Mann, sagte ein Sprecher der Polizei in Amsterdam. Er sollder Wirt des Restaurants "Da Bruno" gewesen sein, in dem Mittwochnachtgefeiert wurde.
Im dem Restaurant, das früher an anderer Stellein Duisburg geführt wurde, war im Frühjahr 1991 der aus italienischerHaft entflohene, wegen Totschlags verurteilte Antonio G., verhaftetworden. Der in San Luca geborene Mann war der 'Ndrangheta zuzurechnen.Er hatte in Italien einen Totschlag begangen und war im Ruhrgebietuntergetaucht, wo er verschiedene Arbeitsstellen hatte. "Die Umständeder Festnahme bestätigen, dass die 'Ndrangheta Deutschland als Ruhe-und Schonraum nutzt, um Angehörige aus dem Focus italienischerStrafverfolgungsorgane zu halten", erklärte die Polizei.
DasBundeskriminalamt bestätigte, dass seit den 1980er Jahren bekannt sei,dass Angehörige von Mafia-Organisationen Deutschland als Rückzugsraumnutzten. Damit wollten sie Auseinandersetzungen mit anderen Clans ausdem Weg gehen oder vor den italienischen Strafverfolgern flüchten.Rivalisierende Mafia-Clans hätten aber gewalttätige Konflikte in derVergangenheit nahezu ausschließlich in Italien ausgetragen. DerSechsfachmord von Duisburg war von italienischen Behörden als sehrungewöhnlich bezeichnet worden.
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