Der Krieg gegen die Piraten hat begonnen
Sie feiern mit den schönsten Frauen üppige Partys und haben einen Bauboom ausgelöst. Die Piraten im nordsomalischen Puntland genießen einen erschreckend guten Ruf. Grundlage ist ihr kriminelles und lukratives Tagwerk. Von Johannes Graf
Nairobi. Sie fahren abends mit protzigen amerikanischen Autos durch die Straßen, feiern mit den schönsten Frauen üppige Partys und haben regelrecht einen Bauboom ausgelöst. Die Piraten im nordsomalischen Puntland genießen einen erschreckend guten Ruf, gelten als wirtschaftlich erfolgreich und als wohlhabende "Macher-Typen". Grundlage ist ihr kriminelles und äußerst lukratives Tagwerk.
Mit Schnellbooten, Panzerfäusten und Maschinenpistolen gehen sie auf die Jagd nach internationalen Tankschiffen, Frachtern und Fischerbooten. Die Ware an Bord und die Besatzungen sind den Reedereien hohe Summen wert: Allein 250 Millionen Dollar (rund 200 Millionen Euro) fordern die Entführer des Supertankers "Sirius Star" nach bisher unbestätigten Meldungen als Lösegeld.
Doch damit soll jetzt Schluss sein, wenn nötig auch mit Waffengewalt. Ein erstes Zeichen im Kampf gegen die Piraterie setzte die indische Marine. Die Fregatte "INS Tabar" (zu deutsch "Streitaxt") zerstörte bei einem Feuergefecht eines der Mutterschiffe, die den Piraten als Versorgungs- und Ausgangsbasis bei ihren Beutezügen dienen.
Seit Anfang des Monats ist die "INS Tabar" auf Patrouillenfahrt gegen Piraten im Golf von Aden, 35 Schiffe habe sie schon sicher durch die Gewässer geleitet, berichtete das indische Verteidigungsministerium. In der Nacht zum Mittwoch kam es dann zu einer Eskalation.
Das Marineschiff habe ein Piraten-Mutterschiff zum Stoppen aufgefordert, doch dessen Besatzung habe mit einer Drohung geantwortet: Sie werde die Fregatte in die Luft sprengen, wenn sie sich nähere. Nach indischer Darstellung eröffneten die Piraten das Feuer, worauf das Kriegsschiff zurückschoss und das Piratenschiff versenkte. "Wir bewegen uns auf kriegerische Auseinandersetzungen mit den Seeräubern zu", sagte ein westlicher Geheimagent.
Bisher geben die Schiffe der US-Marine, der Nato und demnächst auch der EU nur Begleitschutz. Die Grenzen des Handelns sind eng gesteckt, besonders für deutsche Fregatten. Angreifer auf ihren Schnellbooten werden lediglich abgedrängt, um "Nothilfe" zu leisten. Auf diese Weise war auch die Fregatte "Karlsruhe" am Montag und Dienstag einem äthiopischen und einem britischen Schiff zur Hilfe geeilt. Mit einem bewaffneten Bordhubschrauber drängten sie die Piraten-Boote ab, die daraufhin die Flucht ergriffen.
Der FDP-Abgeordnete Rainer Stinner spricht von "Absurdistan am Horn von Afrika". Damit beschreibt er das Ringen in der Bundesregierung um die Frage, was deutsche Soldaten innerhalb einer EU-Mission zum Kampf gegen Piraten vor der Küste Somalias dürfen und was nicht und wie sie die Seeräuber jagen sollen - und mit welchem Mandat.
Die Debatte darüber, ob auf einer schwer bewaffneten deutschen Fregatte ein Bundespolizist sein muss, um einen Seeräuber nicht nur bekämpfen, sondern auch verhaften zu dürfen - was der Soldat nicht darf -, hält Stinner für abenteuerlich. Für ihn ist klar: Die Bundeswehr darf andere Schiffe vor Piraten schützen. Das erlaube das Grundgesetz und das Völkerrecht. Stinner wiederholt das seit Monaten. Richtig widersprochen hat ihm keiner.
Klar ist: Von Rückschlägen lassen sich die Piraten nicht abschrecken. Noch in derselben Nacht, in der eines ihrer Mutterschiffe versenkt worden war, kaperten die Seeräuber weitere Schiffe. Die Arbeitsbedingungen in ihrer Heimat Somalia sind ideal. Das Land ist seit dem Bürgerkrieg zerrissen.
Es gibt keine funktionierende Regierung, Armee, Polizei oder Justiz, entsprechend auch keine Küstenwache. Waffen sind leicht zu beschaffen und zu schmuggeln. Clans streiten sich zwar um die Herrschaft im Land, machen aber bei der Piraterie gemeinsame Sache.
"Sie sind sehr professionell", muss Admiral Mike Mullen von der US-Marine einräumen. Doch der Abwehrkampf wird jetzt massiver.
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