Kann Freundschaft zwischen Männern und Frauen funktionieren?
Können Männer und Frauen einfach nur befreundet sein? Studien bezweifeln das. Ein Psychotherapeut aber sagt: Ja - wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind.
Mann + Frau = Freundschaft? Über diese Gleichung diskutieren Therapeuten, Drehbuchautoren und Freundeskreise seit Jahrhunderten. Die Antwort auf die Frage zu finden ist schwierig, das weiß nahezu jeder aus eigener Erfahrung. Trotzdem können sich einer Untersuchung zufolge vier von fünf Erwachsenen vorstellen, mit einem Vertreter des anderen Geschlechts "nur" befreundet zu sein. Doch wie kann das funktionieren?
Wolfgang Krüger, Psychotherapeut aus Berlin und Autor unter anderem des Buchs "Freundschaft: beginnen, verbessern, gestalten", spricht von drei Grundvoraussetzungen, von denen zumindest eine erfüllt sein muss, damit eine intergeschlechtliche Freundschaft funktioniert. Erstens: Man findet sich gegenseitig nicht attraktiv. Krüger: "Wenn sie einfach nicht sein Typ ist, ist die Freundschaft in der Regel gesichert."
Für eine Freundschaft zwischen Mann und Frau müssen Bedingungen erfüllt sein
Zweitens: Er ist vergeben. Krüger sagt: "Wenn der Mann kein Jäger ist, ist die Frau sicher." Frauen legen dem Psychologen zufolge mehr Wert auf freundschaftliche Beziehungen als Männer, deshalb gehe der Impuls, die Freundschaft auf eine sexuelle Ebene zu hieven, meist vom Mann aus. Ist der vergeben, ist die Freundschaft gerettet.
Krügers letzte Voraussetzung: Der Mann ist in der Lage, tiefgründige Gespräche zu führen, wodurch echte Intimität entsteht. Er erklärt: "Wenn Sie viel vom anderen wissen, verschwindet der Wunsch nach Sexualität. Sie haben dann einfach zu viel gesehen und gehört."
Nur wenn eine oder mehr Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine Freundschaft zwischen Mann und Frau funktionieren. Und wenn Freunde doch im Bett landen? Dann schwindet Krüger zufolge die emotionale Distanz. Freundschaft und Sex ohne echte Liebesbeziehung funktioniere nicht. "In solchen Fällen will einer von beiden meistens mehr als der andere."
Funktioniert die Beziehung nicht, kann die Freundschaft überleben
Doch was sollte man tun, wenn man sich in die beste Freundin oder den besten Freund verliebt hat? Krüger rät: "In so einem Fall sollte man sich immer die Frage stellen, ob die Beziehung ein Jahr überlebt oder nicht." Ist die Antwort nein, hält er eine Beziehung für keine gute Idee. Falls doch, umso besser. "Viele Liebesbeziehungen entstehen aus Freundschaften." Die Chance, dass alles gut geht, besteht also.
Und wenn die Beziehung doch nicht funktioniert, gebe es immer noch die Möglichkeit, wieder Freunde zu werden. Das, so Krüger, ist heute nicht mehr selten. "Früher hat man sich nach einer Trennung gegenseitig verflucht, heute haben die Menschen einen nüchterneren Blick darauf. Der Wunsch, die Freundschaft zu bewahren, steht im Vordergrund." Aber: Direkt nach der Trennung funktioniere das nicht. Es brauche einige Zeit, bis sich das Miteinander wieder normalisiert habe. Und es gibt noch ein Aber: Normalisieren werde sich die Beziehung zwischen Mann und Frau nach einer Trennung niemals. "Es gibt dann einfach Themen, über die man nicht spricht." Das neue Sexleben des Ex-Partners wäre da ein Beispiel.
Generell sieht Krüger beim Thema Freundschaften große Unterschiede zwischen Männern und Frauen: So pflegten Frauen engere Freundschaften, in denen auch mal ernste Themen und Probleme angesprochen werden. Bei Männern wiederum sei das meist anders. Das zeigt auch eine Übersichtsstudie aus dem Jahr 2010, in der 37 Untersuchungen mit insgesamt mehr als 8800 Probanden analysiert wurden. Demnach legen Frauen in einer Freundschaft mehr Wert auf Vertrauen, Loyalität, Selbstöffnung und Zusammengehörigkeit als Männer. Die wiederum achten demnach auch darauf, was der andere zu bieten hat, beispielsweise ob er wohlhabend oder intelligent ist.
Männer stehen in Freundschaften unter Konkurrenzdruck
Krüger attestiert Männern zudem Konkurrenzdruck. "Da geht es in Gesprächen nicht über die eigenen Schwächen, sondern über die eigenen tollen Leistungen." Den Grund dafür sieht der Psychotherapeut im männlichen Narrativ: Die typische Männerrolle sei die eines Helden. Dieses Bild habe sich durch Erzählungen, Filme und Vorbilder in den vergangenen Jahrhunderten etabliert. "Über die eigenen Schwächen zu reden, fällt da schwer."
Und auch das ist Teil der Wahrheit: Frauen empfinden die Freundschaft mit einem Mann oftmals als weniger erfüllend. Männer wiederum schätzen eine gute Freundin an ihrer Seite mehr als einen guten Freund. Das zeigt eine Studie der Universität von Michigan. Das - im übrigen geschlechtergemischte - Forscherteam fasste die Untersuchung so zusammen: "Freundschaften, die wenigstens eine Frau involvieren, sind befriedigender als solche, die das nicht tun."
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