"Wir sahen gleich, dass wir Karl nicht mehr helfen konnten"
Mit einer spektakulären Rettungsoperation sind die beiden Südtiroler Alpinisten vom Nanga Parbat in Sicherheit gebracht worden. In einem ersten Interview berichteten sie von ihren Erlebnissen und dem schrecklichen Unfall ihres Kameraden.
Islamabad/Rom (dpa) - Mit einer spektakulären Rettungsoperation sind die beiden Südtiroler Alpinisten neun Tage nach Beginn des Dramas am Nanga Parbat in Sicherheit gebracht worden.
Simon Kehrer und Walter Nones wurden am Donnerstag nacheinander mit einem Hubschrauber aus knapp 6000 Metern Höhe zum Basislager und dann gemeinsam in die Stadt Gilgit geflogen. "Die Rettungsmission ist abgeschlossen", sagte Mohammad Ilyas vom pakistanischen Flugrettungsdienst Askari Aviation der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die Bergsteiger reagierten erleichtert. "Es geht uns gut, es geht uns gut", sagte Nones nach italienischen Medienberichten.
In Gilgit sollten sie in einem Militärkrankenhaus untersucht werden. Rashid Ahmad vom Tour-Anbieter Hushe Treks and Tours, der die Expedition der Südtiroler im pakistanischen Teil des Himalaya organisiert hatte, sagte, Kehrer und Nones blieben mindestens eine Nacht in Gilgit. Dann sollten sie in die Hauptstadt Islamabad reisen.
"Gestern hat es noch eine kleine Lawine gegeben, aber heute sind wir gut runtergekommen", sagte Nones. Eine Wetterbesserung am Donnerstag hatten die Südtiroler zum Abstieg von 6600 Metern auf unter 6000 Meter Höhe genutzt, wo der Hubschrauber erst Kehrer (29) und dann Nones (36) aufnehmen konnte. Wegen der großen Höhe an seiner Einsatzgrenze musste der Helikopter möglichst leicht bleiben und konnte nur jeweils einen der Bergsteiger in Sicherheit fliegen.
Die beiden Alpinisten schilderten in einer Internet-Videokonferenz die dramatischen Ereignisse. "Das waren keine schönen Tage, aber dank unserer Kraft haben wir es geschafft, gesund und sicher ins Basislager zu gelangen", sagte Nones in der Schaltung aus seinem Hotel in Gilgit. Nones und Kehrer erzählten auch vom Unfall ihres Kletter-Kollegen Karl Unterkircher, der bei der Besteigung über die bisher noch nicht erklommene Rakhiot-Eiswand abgestürzt war. Unterkircher sei im tiefen, weichen Schnee etwa 15 Meter tief in eine Felsspalte gefallen, sagten sie.
"Dabei ist er mehrmals gegen die Felsen geschlagen. Wir haben ihn fast sofort gefunden, aber wir sahen gleich, dass wir ihm nicht mehr helfen konnten." Die Leiche Unterkirchers wird nach den Worten von Agostino da Polenza, der von Italien aus die Rettung geleitet hatte, am Nanga Parbat bleiben. "Wir müssten andere Leben riskieren, um ihn zu bergen und das ist unmöglich. Ich bin sicher, dass auch Karl es so gewollt hätte."
Silvio Mondinelli und Maurizio Gallo vom italienischen Rettungsteam in Pakistan berichteten nach Angaben der Website Südtirol Online, der erste Gedanke nach der Rettung habe dem abgestürzten Bergkameraden Unterkircher gegolten. "Sie wollten eine kleine Gedenkfeier abhalten, doch das war nicht mehr möglich. So haben Walter und Simon Karls Namen in einen Stein geritzt, der zu Ehren (des Erstbesteigers) Hermann Buhls aufgestellt worden war."
Unterkirchers Ehefrau Silke zeigte sich erleichtert über die Rettung der beiden Bergsteiger. "Ich bin so froh, dass sie sich nun in Sicherheit befinden", sagte sie laut "Repubblica Online". Die Südtiroler waren am Dienstag vergangener Woche von schlechtem Wetter überrascht worden. Der 37 Jahre alte Unterkircher war dabei abgestürzt. Er hinterlässt seine Frau und drei Kinder.
Italiens Außenminister Franco Frattini nahm die Rettung erleichtert auf. Er dankte unter anderem den pakistanischen Behörden für ihre Hilfeleistung, teilte das Außenministerium in Rom mit. Der Südtiroler Extrembergsteiger Reinhold Messner lobte die Leistung der beiden Alpinisten. "Sie haben gezeigt, dass sie exzellente Bergsteiger sind", sagte der "König der Achttausender" nach italienischen Medienberichten. Das Schicksal von Unterkircher sei "eine große Tragödie, jetzt ist aber der Augenblick des Glücks und der Komplimente".
Die Rettung der beiden Südtiroler Bergsteiger kostete nach einem Bericht der "Westfälischen Rundschau" (Freitag) etwa 30_000 Euro. Das Blatt beruft sich auf Angaben der pakistanischen Flugrettung. "Unsere Hubschrauber waren insgesamt fast 40 Stunden in der Luft, um die Bergsteiger zu finden", sagte Luftrettungssprecher Bashia Baz. "Wir haben aber noch nicht alle Posten zusammengerechnet, vielleicht werden es auch 40_000 Euro." Die Flugmanöver seien sehr kompliziert, zum Teil lebensgefährlich, sagte Baz. Sie könnten nur von speziell ausgebildeten Piloten ausgeführt werden.
Das italienische Konsulat habe angekündigt, die Kosten für die Hubschrauberrettung in 6000 Metern Höhe zu übernehmen, sagte Baz der Zeitung. Fabrizio Romano vom Krisenmanagement des italienischen Außenministeriums hatte zuvor jedoch erklärt, die Kosten der Rettungsaktion seien von einer Versicherung abgedeckt. "Die Staatskasse hat dies nichts gekostet, weil solche Expeditionen versichert sind und daher auch derartige Rettungsaktionen vorgesehen sind, sollte bei der Expedition etwas schiefgehen." Über die Höhe der Kosten machte er keine Angaben gemacht.
Der iranische Bergsteiger Saman Nemati saß nach acht Tagen immer noch am Nanga Parbat fest, wie der Sprecher des iranischen Bergsteigerverbands der Nachrichtenagentur ISNA am Donnerstag berichtete. "Wir sollten die Hoffnung nicht aufgegeben, ihn noch lebendig zu finden, aber die Hoffnung muss auch eine gewisse Logik haben," sagte Hossein Resaie. "Daher sollten wir uns auch darauf einstellen, dass wir ihn nicht mehr rechtzeitig finden."
Der Nanga Parbat ist mit 8126 Metern der neunthöchste Berg der Welt. Sein Name in der Landessprache Urdu bedeutet "Nackter Berg". Wegen gescheiterter deutscher Expeditionen mit mehreren Opfern in den 30er Jahren wird der Nanga Parbat auch "Schicksalsberg der Deutschen" genannt. Der Bruder Reinhold Messners, Günther Messner, starb 1970 am Nanga Parbat.
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