Rekord bei Schwulen-Korso auf Amsterdams Grachten
Amsterdam (dpa) - Nie zuvor haben so viele Schaulustige der Schwulen-Parade im Amsterdamer Grachtengürtel zugejubelt: Rund 560 000 Besucher säumten am Samstag den Schiffskorso von Schwulen und Lesben.
Beim traditionellen Höhepunkt der alljährlichen Amsterdamer "Gay Pride"-Woche demonstrierten Homosexuelle auf 80 Booten Lebensfreude und Stolz. Zugleich machten viele auf die in etlichen Ländern anhaltende Verfolgung von Schwulen aufmerksam. Nach Angaben der Polizei waren sogar noch rund 60 000 Menschen mehr auf den Beinen als die im vorigen Jahr geschätzte halbe Million. "Das ist beispiellos", sagte der Vorsitzende der Organisation Pro Gay, Frank van Dalen. "Gay Pride wird immer mehr durch die gesamte Gesellschaft getragen."
Riesenbeifall gab es für drei Premieren: Erstmals durften homosexuelle Soldaten in ihren Uniformen teilnehmen. Zum ersten Mal waren prominente Sportler dabei, unter ihnen Schwimm-Olympiasieger Pieter van den Hoogenband und Hockey-Weltmeisterin Minke Booij. Und endlich fuhren auch Politiker der regierenden Christdemokratischen Partei CDA mit.
Bei der Grachtentour wurde an den 400. Jahrestag der Entdeckung Manhattans durch den von Amsterdamer Kaufleuten ausgesandten Kapitän Henry Hudson erinnert. Amsterdams Bürgermeister Job Cohen besiegelte die Ehen von fünf gleichgeschlechtlichen Paaren mit Partnern jeweils aus New York und den Niederlanden. Amsterdams stellvertretende Bürgermeisterin Carolien Gehrels, die mit einer Frau verheiratet ist, sagte Journalisten, sie hoffe, dass sich Homosexuelle bald auch in New York trauen lassen können. Schließlich sei New York, wie Amsterdam, "progressiver als der Rest des Landes".
In Amsterdam waren am 1. April 2001 weltweit zum ersten Mal homosexuelle Paare standesamtlich getraut worden. Seitdem heiraten hier jedes Jahr Hunderte Schwule und Lesben aus allen Teilen der Welt. Längst sind Amsterdams ausgedehnte Gay-Szene und der Homo-Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für die Grachtenmetropole geworden. Doch in den letzten Jahren hatte ihr Ruf als "Schwulen-Hauptstadt der Welt" durch vereinzelte Angriffe auf Homosexuelle gelitten. Wenige Tage vor dem Schiffskorso wurde einer der Organisatoren auf einer Straße von einer Gruppe von Männern geschlagen. Und beim Start der Parade fingen TV-Kameras eine in der Nacht auf die Uferbefestigung gemalte Losung ein: "Homos kommen in die Hölle".
Neben streng konservativen Christen lehnen auch viele in den Niederlanden lebende Muslime die Gleichberechtigung von Homosexuellen ab. Große Beachtung fand deshalb die Parade-Teilnahme des aus Marokko stammenden Kommunalpolitikers Ahmed Marcouch. Der muslimische Sozialdemokrat regiert den Stadtbezirk Slotervaart, in dem die Konzentration von Muslimen besonders hoch ist und der als gefährlich für Schwule gilt. "Es genügt nicht, im Grachtengürtel Toleranz zu demonstrieren", sagte Marcouch. "Auch in den Wohnvierteln müssen sich alle Menschen so wie sie sind sicher fühlen können."
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