Massive Kritik an Kusch: "Herr über Leben und Tod"
Eine Empörungswelle in Deutschland hat Ex-Senator Roger Kusch mit seiner "Sterbehilfe" bei einer 79-jährigen Würzburgerin ausgelöst. Um den freien Willen der Frau für den "begleiteten Suizid" zu demonstrieren, hat Ex-Senator Roger Kusch auf Video aufgezeichnete Interviews mit der früheren Röntgenassistentin gezeigt.
Hamburg/Würzburg (dpa) - Hamburgs Ex-Justizsenator Roger Kusch hat nach eigenen Angaben bei einer 79-jährigen Frau aus Würzburg Sterbehilfe geleistet.
Seine umstrittene "Selbsttötungsmaschine" sei nach Abwägung der Risiken nicht zum Einsatz gekommen, sagte Kusch am Montag in Hamburg. Die Rentnerin, die nicht schwer krank gewesen sei, aber Angst vor einem Leben im Pflegeheim gehabt habe, sei am Samstag gestorben. Sie habe ein Malaria-Medikament und ein Beruhigungsmittel eingenommen.
Um den freien Willen der Frau für den "begleiteten Suizid" zu demonstrieren, zeigte Kusch auf Video aufgezeichnete Interviews mit der früheren Röntgenassistentin. Sowohl die Würzburger als auch die Hamburger Staatsanwaltschaft leiteten Ermittlungen ein. Sozial-Organisationen und Parteien reagierten empört auf Kuschs Vorgehen.
Es "ist eines freien, modernen, aufgeklärten Landes unwürdig, seine besonders hilfsbedürftigen, bemitleidenswerten Menschen am Ende ihres Lebens zum Sterben nach Zürich zu schicken", begründete Kusch seine Aktion. In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten. Manche Sterbewillige fahren deshalb in die Schweiz, um sich etwa beim Verein Dignitas beim Sterben helfen zu lassen. Aus diesem Grund hatte Kusch Ende März eine Apparatur vorgestellt, die nach dem Muster der in den USA umstrittenen Giftspritze funktioniert und es dem Patienten ermöglicht, den Auslöser selbst zu betätigen.
Laut Kusch hatte die Rentnerin, die sich an Dignitas gewandt haben soll, "keine dramatisch schwere Erkrankung". In dem Video sagte die Rentnerin: "Ich kann nicht sagen, dass ich leide." Ausschlaggebend für ihre Entscheidung war laut Kusch ihre Horrorvision von einem Leben im Pflegeheim.
Kusch hatte die Frau nach seinen Angaben am Samstagvormittag in ihrer Wohnung aufgesucht, wo sie die von ihr beschafften Medikamente angerührt habe. Er habe im Schlafzimmer eine Videokamera installiert. Als sie den zweiten Medikamenten-Becher getrunken hatte, habe er die Wohnung verlassen und sei etwa drei Stunden später zurückgekehrt. Dann habe er die Kamera eingepackt und die Wohnung erneut verlassen. Kusch sagte: "Das belastendste am Samstag für mich war die Notwendigkeit, Frau S. nicht zusehen zu dürfen. Ich musste den Raum aus Gründen der eigenen Straflosigkeit zu einem Zeitpunkt verlassen, als Frau S. noch lebte."
Nach Angaben des Würzburger Oberstaatsanwalts Erik Ohlenschlager werden nun die Umstände des Todes der 79-Jährigen überprüft. Es solle festgestellt werden, ob es sich um einen eigenverantwortlichen Selbstmord gehandelt habe, ob andere Menschen daran beteiligt gewesen seien und ob strafrechtliches Handeln vorliege. Ein Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft sagte, es seien Vorermittlungen eingeleitet worden.
Die Deutsche Hospizstiftung und die Nordelbische Evangelisch- Lutherische Kirche verurteilten Kuschs Vorgehen scharf. Der Stiftungs-Geschäftsführer Eugen Brysch sagte: "Kusch als Exekutor? Nichts berechtigt diesen Mann, sich zum Herr über Leben und Tod aufzuschwingen." Bischof Hans-Christian Knuth sagte: "Wer einsamen Menschen den Giftbecher reicht, statt ihnen ihre Ängste zu nehmen und sie zu begleiten, bereitet den Weg für eine unmenschliche Gesellschaft." Hamburgs Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery warf Kusch vor, "sich als reiner "Selbstmordtäter"" zu betätigen. Auch Hamburger Vertreter von CDU, SPD und Grünen reagierten empört.
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