Assange: Pikante Details enthüllt
In der Diskussion um die Auslieferung des Wikileaks-Chefs Julian Assange wurden vor dem Berufungsgericht intime Details debattiert.
Neue Nüchternheit, alte Argumente: Wikileaks-Aktivist Julian Assange hat sich gestern erneut gegen seine drohende Abschiebung nach Schweden wegen angeblicher Vergewaltigung zur Wehr gesetzt. Doch die strikt sachliche Linie seines neuen Anwaltteams konnte nicht verhindern, dass vor dem Berufungsgericht intime Details debattiert wurden. Ob der Australier in England bleiben darf, soll in den nächsten Wochen entschieden werden.
Bei einer Verabredung habe Assange einer Frau die Kleidung vom Leib gerissen und eine Schmuckkette zerfetzt, führte Clare Montgomery, schwedische Staatsanwältin, an: „Sie hatte keine Wahl.“ Assange habe ihre Arme festgehalten und sie zum Beischlaf gezwungen, obwohl sie sich gegen ungeschützten Sex heftig gewehrt habe.
Anwalt will einen Formfehler im EU-Haftbefehl gefunden haben
Pikante Details wie diese wurden gestern abermals öffentlich gehandelt, obwohl Assange sich für seine möglichen Verfehlungen erst in Monaten oder gar Jahren verantworten muss. Noch immer strittig ist die Frage, ob die schwedische Staatsanwaltschaft den 39-Jährigen für eine Befragung überhaupt nach Stockholm bringen darf. Für Assange gilt ein europäischer Haftbefehl, dem ein Londoner Bezirksrichter im Februar auch stattgegeben hat.
Mit einer Verschwörungsthese hatte Assange Berufung gegen seine Auslieferung eingelegt: Die schwedischen Frauen seien „Lockvögel“ gewesen. Ziel sei, ihn an die USA weiterzureichen, wo ihm wegen der Wikileaks-Indiskretionen angeblich der Prozess gemacht werden soll. Ben Emmerson, Assanges neuer Anwalt, konzentrierte sich gestern auf eine andere Taktik, nachdem sein Mandant wegen abschätziger Äußerungen über die beiden Frauen selbst bei Unterstützern in die Kritik geraten war. Emmerson will nun Formfehler im EU-Haftbefehl entdeckt haben, weshalb dieser nicht vollstreckt werden dürfe.
Der Beschuldigte ist schweigsam geworden
Assanges Verhalten gegenüber den Frauen nannte Emmerson zwar „respektlos, ungebührlich, vielleicht verstörend und sicher grenzwertig, gemessen an dem, was sie sonst als angenehm empfinden“. Dennoch, so der Anwalt, sei der Beischlaf einvernehmlich gewesen.
Dem 39-Jährigen wird auch vorgeworfen, Sex mit einer Schlafenden gehabt zu haben. Die Taten wären in Schweden strafbar, in Großbritannien nur bedingt. Auch deshalb ist es fraglich, ob Großbritannien den Auslieferungsantrag wirklich vollstrecken muss.
Für den zur Vereinfachung eingeführten EU-Haftbefehl, so viel ist jedenfalls klar, dürfte die Causa Assange schlechte Werbung sein. Allein die Frage, wer ihn ausstellen darf und was die richtige Form sein könnte, hat gestern den halben Verhandlungstag verschlungen – zu komplex und verschieden sind die Systeme der einzelnen EU-Länder.
Und Assange? Ob Formfragen eines mangelhaften EU-Dokuments den Australier retten oder stürzen, bleibt abzuwarten. Sonst redselig und provokant, reiste er diese Woche schweigend zu den Verhandlungstagen. Im Hausarrest auf einem Landsitz in Norfolk, wo er Fußfessel trägt und sich allabendlich auf der örtlichen Wache melden muss, hat er sichtbar zugenommen. Im Februar angekündigte Enthüllungen lassen auf sich warten; einen lukrativen Buchvertrag für seine Memoiren hat Assange ebenfalls platzen lassen. Um Wikileaks ist es still geworden.
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