Allgäuer Geisel befreit: Wurde Lösegeld für Eberhard N. bezahlt?
Nach über einem halben Jahr Gefangenschaft durch Boko Haram ist der Kaufbeurer Entwicklungshelfer frei. Wir sprachen mit dem Terror-Experten Rolf Tophoven über die Befreiung.
Von Juli 2014 bis zum Anfang diesen Jahres befand der Entwicklungshelfer Eberhard N. aus Kaufbeuren sich in der Gefangenschaft von Boko Haram. Mitte Januar dann die erlösende Nachricht: Der 69-Jährige ist frei. Spezialkräfte der kamerunischen Armee und "befreundeter Länder" hätten den Entwicklungshelfer aus Kaufbeuren in der Nacht auf Mittwoch befreit, teilte Kameruns Staatschef Paul Biya mit.
In einem Gespräch mit unserer Zeitung im Dezember hegte der Terror-Experte Rolf Tophoven seine Zweifel an einer militärischen Befreiungsaktion. Eine Lösung des Konflikts und eine Freilassung hielt Tophoven aber bereits im Dezember für wahrscheinlich. Die lange Gefangenschaft spräche für eine Kommunikation der Geiselnehmer mit dem Auswärtigen Amt oder Mittelspersonen. Nach der Befreiung haben wir noch einmal mit ihm gesprochen.
Herr Tophoven, nun konnte Eberhard N. laut Medienberichten zwar nicht durch das nigerianische, aber durch das kamerunische Militär befreit werden. Genauere Angaben zu der "Befreiungsaktion" gibt es aber nicht. Halten sie einen rein militärischen Befreiungsschlag für wahrscheinlich?
Eine militärische Kommandoaktion zur Befreiung der Geisel schließe ich nicht aus. Jedoch ist der Begriff der "Befreiungsaktion" ein dehnbarer. Die Bundesregierung und insbesondere der Krisenstab in Bonn sind dazu verpflichtet, alles Mögliche zu tun, um die Geisel zu befreien. Hier werden alle denkbaren diplomatischen und geheimdienstlichen Drähte genutzt. Das Auswärtige Amt macht aus gutem Grund keine genaueren Angaben zum Freikommen von Eberhard N., das ist auch taktisch richtig. Ebenfalls üblich ist es, dass auch die Geisel über die streng geheime Aktion zum Stillschweigen verpflichtet ist.
Befragung des Befreiten könnte wichtige Erkenntnisse über Boko Haram bringen
Heißt das, dass auch eine Lösegeldzahlung als diplomatischer Weg zur Befreiung von Eberhard N. geführt haben könnte?
Grundsätzlich würde das Auswärtige Amt eine Lösegeldzahlung natürlich nie bestätigen, da es sich hier um eine streng vertrauliche geheimdienstliche Aktion handelt. Ich halte eine Lösegeldzahlung aber durchaus für möglich. Von Geiselnahmen durch den IS ist beispielsweise bekannt, dass durchaus Lösegelder gezahlt wurden. Oft ist die Zahlung ein notwendiges Mittel, um die Sicherheit der Geisel zu gewährleisten, das Leben der Geisel hat stets den obersten Vorrang. So profitieren quasi alle Seiten von der Geiselnahme. Übergeben wird Lösegeld selbstverständlich nicht durch die Staatsregierung selbst, sondern durch Dritte.
In der Erklärung des Auswärtigen Amtes ist die Rede von der Beteiligung des kamerunischen Militärs und "befreundeten Ländern". Können Sie einschätzen, welche Institutionen und Einheiten an dem Freikommen beteiligt gewesen sind?
Wie schon erwähnt, werden in einem solchen Fall durch den Krisenstab alle möglichen diplomatischen und nachrichtendienstlichen Kanäle angezapft. Man muss sich die Lösung eines solchen Falles wie ein Paket aus Informationen vorstellen. Es muss in Erfahrung gebracht werden, wo sich die Geisel befindet, von wem sie gefangen gehalten wird, wie polizeilich oder militärisch gegen die Geiselnehmer vorgegangen werden kann und ob die Sicherheit der Geisel so gewährleistet werden kann. Außerdem wichtig ist das Ziel der Terroristen. Erwarten diese eine Art Gegenleistung oder wollen sie die entsprechende Regierung eher psychologisch fordern? Die verschiedenen Quellen können Nachrichtendienste aus verschiedenen Ländern sowie Mittelspersonen und -institutionen sein.
Wie geht es nun für Eberhard N. weiter? Angekündigt ist eine "medizinische und psychologische Betreuung". Was kommt zusätzlich noch auf den Entwicklungshelfer zu?
Eine medizinische Betreuung nach dieser langen Gefangenschaft ist sicherlich wichtig. Ob er danach auch noch längerfristig psychologisch betreut wird, kann Eberhard N. wahrscheinlich selbst am besten entscheiden. Auf jeden Fall wird eine Befragung durch das Auswärtige Amt auf ihn zukommen. Für neue Erkenntnisse über die Terror-Miliz Boko Haram und auch für die Lösung eventueller weiterer Fälle sind die Erlebnisse von Herrn N. relevant.
Rolf Tophoven, geboren 1937, beschäftigt sich seit den 70er Jahren intensiv mit dem Thema Terrorismus. Seit 2003 ist er Direktor des „Instituts für Krisenprävention“ (Iftus) in Essen. Bereits 1975 erregte sein Buch „Fedayin. Guerilla ohne Grenzen“ Aufmerksamkeit. An dem Werk „Das Jahrzehnt des Terrorismus" (2010) wirkte er als Co-Autor mit.
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