Expertin: "Upload-Filter werden das Angebot im Netz reduzieren"
Ein heftig kritisierter Punkt der EU-Urheberrechtsreform: Upload-Filter. Judith Steinbrecher vom Bitkom erklärt, wie diese funktionieren und welche Auswirkungen sie haben.
Am Dienstag hat das EU-Parlament die Urheberrechtsreform beschlossen. Besonders umstritten: die sogenannten Upload-Filter. Ab wann wird es die denn nun geben?
Judith Steinbrecher: Der nächste Schritt nach der Abstimmung im Europa-Parlament ist nun eine Freigabe im Ministerrat. Danach wird die Richtlinie veröffentlicht und tritt in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt hat jeder Mitgliedstaat 24 Monate Zeit, die Richtlinie umzusetzen und ins nationale Gesetz zu gießen. Deutschland wird also in rund zwei Jahren ein Gesetz erlassen, das im Ergebnis auf Upload-Filter hinausläuft.
Muss ich als privater Nutzer dann besorgt sein, dass ich meine Urlaubsfotos nicht mehr auf Facebook oder das Video von der Kindergartenfeier auf YouTube hochladen kann?
Steinbrecher: Ja, diese Sorge ist durchaus berechtigt. Das Problem, das dahinter steckt: Plattformen haften in Zukunft für jedes urheberrechtlich geschützte Werk, das hochgeladen wird und für das es keinen Lizenzvertrag gibt. Nehmen wir als Beispiel die Video-Plattform YouTube. YouTube wird keine andere Möglichkeit haben, als eine Software zu installieren, die jedes hochgeladene Werk scannt und mit einer großen Datenbank abgleicht, in der alles hinterlegt ist, was urheberrechtlich geschützt ist. Anders als automatisiert ist die Menge an hochgeladenem Material – bei YouTube sind das mehrere hundert Stunden Videomaterial pro Minute – nicht zu bewältigen.
Wie genau funktioniert das?
Steinbrecher: In dieser Datenbank sind Musik hinterlegt, Videoausschnitte aus Filmen, Texte, Fotografien. Und immer dann, wenn es eine Überschneidung gibt, sagt die Software: Stopp, das darf nicht hochgeladen werden. Wir kennen das bereits aus vielen anderen Bereichen. Bei Google Bildersuche können Sie beispielsweise das Internet nach Bildern durchforsten. In der App Shazam reicht eine Tonfolge, um ein Lied zu erkennen. Im Textbereich kennen wir den Spamfilter aus dem E-Mail-Postfach, der Text erkennt und an dieser Stelle blockt. Der Filtermechanismus ist nicht das Problem, das haben wir schon in anderen Bereichen.
Was ist dann das Problem?
Steinbrecher: Im Urheberrecht gibt es viele Bereiche, wo die Nutzung erlaubt ist, um die Meinungsfreiheit zu garantieren. Satire ist ein gutes Beispiel, oder Memes in sozialen Netzwerken. Da wird ein bekanntes Bild durch einen kreativen Aspekt ergänzt, wodurch eine neue Botschaft entsteht. So etwas ist freigestellt vom Urheberrecht, der Kontext ist entscheidend. Das zu erkennen, daran scheitern selbst Anwälte oft genug, da gibt es viele Prozesse. Eine Software kann entsprechendes ohne eine hohe Fehlerquote nicht leisten.
Das heißt?
Steinbrecher: Das heißt, dass die Entscheidung, was hochgeladen werden darf und was nicht, in Zukunft bei der jeweiligen Plattform selber liegt. Da müssen wir uns die Frage stellen: Ist es tatsächlich gewünscht, dass ein Wirtschaftsunternehmen die Entscheidung darüber fällt, was kommuniziert werden darf und was nicht?
Wenn die Upload-Filter nun gesetzlich vorgeschrieben werden, wird dann jede Plattform einen eigenen Filter programmieren oder wird es ein globales Unternehmen geben, das diese Filter für alle Plattformen programmiert?
Steinbrecher: Sicherlich werden sich Drittanbieter entwickeln. Aber dass die das komplette urheberrechtlich geschützte Datenmaterial haben und eine Software entwickeln, die sich auf jede Plattform übertragen lässt, ist utopisch. Am Ende muss jeder Plattformbetreiber für seine Plattform ein Modell entwickeln, das funktioniert. Bei Google gibt es solche Filter schon. In dieses Content-ID-System hat das Unternehmen aber auch zig Millionen investiert.
Angenommen, ich betreibe ein Online-Forum für Hunde-Freunde, in dem sich wenige hundert Menschen pro Monat austauschen. Müsste ich dann auch einen solchen Upload-Filter entwickeln?
Steinbrecher: : Tatsächlich würde es darauf hinauslaufen, ja. Die Richtlinie sieht zwar Ausnahmen vor. Aber mit einer Plattform, deren Zweck es ist, Fotos auszutauschen und auf der Werbung geschaltet wird – was ja mittlerweile bei den meisten Plattformen der Fall ist - bin ich ganz schnell im Anwendungsbereich der Richtlinie drin. Trotz der sogenannte Start-up-Ausnahme: Diese gilt für Plattformen mit einem Umsatz von höchstens zehn Millionen Euro pro Jahr und unter der Voraussetzung, dass nicht mehr als fünf Millionen User pro Monat erreicht werden – und die Plattform darf nicht älter als drei Jahre sein.
Viele private Plattformen sind aber älter als drei Jahre…
Steinbrecher: Ja, genau. Unsere Befürchtung ist, dass die Vorschrift den Markt bereinigen wird, gerade was kleinere Plattformen angeht, die Nischenprodukte anbieten. Die können sich diese Filter nicht leisten oder das Haftungsrisiko nicht tragen. Wegen des Haftungsrisikos wird es auch schwieriger, Investoren zu finden. Das wird sicherlich das Angebot im Netz reduzieren.
Zur Person Judith Steinbrecher leitet den Bereich Urheberrecht im Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche.
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