Der Mythos von leeren Meeren - was Fischesser wissen sollten
Leergefischte Meere, aussterbende Fischarten - darf man überhaupt noch guten Gewissens Fisch essen? Ja, und wir wissen auch welchen, woher und warum.
Ist überhaupt etwas dran am Mythos von den leergefischten Meeren? Der World Wide Fund For Nature (WWF) sagt klar: Ja. Karoline Schacht, EU-Fischereiexpertin der Umweltstiftung: "Da draußen kommt die biologische Produktion nicht nach." Interessierte Käufer finden bei WWF deswegen einen Einkaufsratgeber, der darüber informiert, was aus nachhaltiger Fischerei stammt und guten Gewissens gegessen werden kann. Nachhaltigkeit heißt, es wird nur soviel gefischt, dass sich der Bestand selbst wieder regenerieren kann. "Vor 50 Jahren hätten wir jedes Jahr pro Kopf 15 Kilo Fisch aus nachhaltigen Quellen essen können. Heute dürften wir nur noch sieben Kilo Fisch essen. Tatsächlich essen wir 16 Kilo Fisch im Jahr", warnt die WWF-Expertin. Sie findet: "Teilweise wäre ein Verzicht angebracht, damit wir länger etwas davon haben."
Kabeljau: Essen oder sein lassen?
Auch Greenpeace hat online eine Karte mit verschiedenen Fischarten, die farbig markiert sind: blau ist gut, rot ist schlecht. "Das ist sehr pauschal", klagt Dr. Cornelius Hammer. Bei Greenpeace ist der Kabeljau rot markiert, das heißt, der Verzehr des Fisches sei bis auf einzelne Ausnahmen "grundsätzlich nicht vertretbar". Auch Karoline Schacht vom WWF sagt: "Der Kabeljau in der Nordsee war auf einem historischen Tiefstand, doch er erholt sich zurzeit davon". Das bestätigt Dr. Hammer, Leiter des Instituts für Ostseefischerei. In den letzten vier Jahren sei der Bestand von 36.000 Tonnen auf 69.000 Tonnen angewachsen, hat sich 2010 aber wieder auf 56.000 Tonnen gesenkt. "Hart überfischt ist der Kabeljau noch immer."
Aber: Aus dem Nordatlantik würden jedes Jahr 700.000 Tonnen Kabeljau nachhaltig gefischt. "Diesen Fisch kann man guten Gewissens fischen und essen", empfiehlt der Wissenschaftler. Allein im Nordatlantik seien sieben verschiedene Kabeljau-Arten unterwegs, die gar nichts miteinander zu tun hätten. Welcher Verbraucher hat da noch den Überblick, wie es welcher "Familie" gerade so geht? Dr. Hammer. Jedes Jahr schätzen er und seine Kollegen für über 100 verschiedene Fisch-Arten die Bestände neu ein. Danach richtet sich zum Beispiel die Fangquote.Und die Bestände können sich schnell ändern, weiß der Wissenschaftler.
Dr. Matthias Keller spricht sogar schon von einem "Kabeljau-Wunder". Der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Fischindustrie betont: "Bevor eine Fischart ausstirbt, stirbt der Fischer. Denn wenn er nichts fängt, kann er sich den Diesel für sein Schiff nicht leisten und geht langfristig bankrott. Und wenn Fisch wirklich knapp wäre, würde er auch mehr kosten." Doch weil es lange hieß, der Kabeljau sei überfischt, fiel der Marktanteil dieses Fisches von 3 auf 0,8 Prozent. "Beim Pangasius stieg er von 2,4 auf 6,5 Prozent", betont Keller, "weil er in Einkaufsführern von Nicht-Regierungsorganisationen positiv bewertet wurde." Der Fisch käme aber aus einem fernen Land (Vietnam), während "der Kabeljau quasi vor unserer Haustür schwimmt". Geschmacklich reiche der Pangasius ohnehin nicht an unsere Meeresfische heran, findet Hammer.
Ganz einfach: essen!
Und wie soll sich der Verbraucher jetzt entscheiden? Dr. Keller, der auch das Fisch-Informationszentrum leitet, meint: Die Kunden wären abhängig vom Angebot der Händler. Auch Dr. Hammer sieht die Händler in der Pflicht, die sich über ein neues Portal (fischbestaende.portal-fischerei.de) informieren und nachhaltig gefischte Ware kaufen können. Damit könnten sie dann ja auch werben. "Doch es ist nicht so, dass man nichts tun kann. Es gibt MSC-zertifizierte Produkte, die stammen zu hundertprozentig aus nachhaltiger Fischerei und werden laufend geprüft", empfiehlt der Wissenschaftler. MSC steht für Marine Stewardship Council, ein weltweites Zertifizierungsprogramm. Auf dem Symbol ist ein weißer Fisch auf blauen Grund dargestellt.
Letztlich hätte auch die fischverarbeitende Industrie ein großes und weiter wachsendes Interesse daran, nur noch Fische zu kaufen, die aus einer nachhaltigen Entwicklung stammen, "damit sie morgen auch noch etwas davon haben. Die Firmen investieren richtig Geld, zeigen Initiative und Engagement", lobt Dr. Hammer vom Institut für Ostseefischerei. Und auch die EU setze ihre Vorgaben "zunehmend hart durch und es funktioniert. Wir sehen einige Bestände, die sich sehr schnell erholen". Denn es sei allen klar: So wie früher geht es nicht mehr". Doch all diese Gedanken müssten sich die Käufer nicht machen: Keller und Hammer empfehlen: "Kaufen Sie zertifizierte Ware und fragen Sie Ihren Händler nach Fisch aus nachhaltiger Fischerei."
Die Diskussion ist geschlossen.