Gemütlicher Opa
In seinem ersten Amtsjahr hat der Präsident nicht viel Tatkraft gezeigt. Doch jetzt will er aktiv werden
Paris „Ich entscheide“, „ich handle“, „ich bin in der Offensive“: Mit kämpferischem Vokabular versucht François Hollande, seine Landsleute davon zu überzeugen, dass er sehr wohl einen Kurs und die entschlossene Absicht hat, Frankreich wieder aufzurichten. Daran zweifeln jedoch die Franzosen, ein Jahr nach dem Amtsantritt des sozialistischen Präsidenten. „Pepère“, gemütlicher Opa, wird er spöttisch genannt. Als Nachfolger des unstet-aktivistischen Nicolas Sarkozy wollte er den Bürgern wieder Sicherheit vermitteln. Das ist missglückt.
Dabei erklärt Hollande unermüdlich, dass er bis Ende des Jahres eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen, Wachstum schaffen und den verschuldeten Haushalt sanieren will. Das wiederholte der 58-jährige Staatschef auch auf einer zweieinhalbstündigen Pressekonferenz vor 400 Journalisten im prunkvollen Festsaal des Elysée-Palastes.
„Die einzige stabile Sache ist Bewegung ständig und überall“, zitierte er Jean Tinguely, den Schöpfer von Mobile-Kunstwerken. Doch wohin bewegt sich Hollande? Er laviert, eingeklemmt zwischen der Linken, die einen Sparkurs ablehnt, und der konservativen Opposition, die ihm vorwirft, das Ausmaß der Krise zu unterschätzen. Sogar die sozialistische Ex-Präsidentschaftskandidatin und frühere Lebenspartnerin Hollandes, Ségolène Royal, kritisierte dessen lahmes Tempo: „Ich habe den Eindruck, dass Zeit verloren wurde.“
Gerade wurde bekannt, dass sich Frankreich seit Ende 2012 in der Rezession befindet. Die Arbeitslosigkeit erreicht mit 10,6 Prozent einen neuen Rekord. Auch das Ziel, das Defizit bis Jahresende auf das Maastricht-Kriterium von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken, ist nicht mehr erreichbar. Dafür gewährt die EU-Kommission Frankreich jetzt zwei Jahre mehr Zeit – unter der Bedingung, dass Paris tief greifende Reformen angeht.
Er habe bereits die Weichen für mehr Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft gestellt, versicherte jetzt Hollande. Eine Arbeitsmarktreform auf Basis einer als historisch bezeichneten Einigung der Arbeitgeber und Gewerkschaften soll den Unternehmen mehr Flexibilität erlauben. Außerdem steht eine Rentenreform an, da sonst der Rentenkasse 2020 ein Loch von 20 Milliarden Euro droht. Da die Lebenserwartung der Menschen steige, müssten sie künftig auch „ein bisschen“ länger arbeiten, sagte Hollande. Dabei hatte er Sarkozys umstrittene Rentenreform, die das Renteneintrittsalter von 60 auf 62 Jahre hinaufsetzte, für Arbeitnehmer, die sehr früh ins Berufsleben eingestiegen sind, kurz nach seinem Amtsantritt zurückgenommen.
Ungeachtet der scharfen Kritik seiner Partei an Angela Merkel erklärte Hollande demonstrativ, er habe kein Problem mit der Kanzlerin. Das deutsch-französische Paar sei unverzichtbar für das Vorankommen Europas. Nachdem Deutschland seine Bereitschaft für eine politische Union erklärt habe, sprach er sich für eine europäische Wirtschaftsregierung mit einem Präsidenten und regelmäßigen Treffen, Harmonisierung der Steuer- und Sozialsysteme und eine Energieunion aus. Er wolle Europa „aus seiner Lethargie holen“, sagte Hollande, dem selbst oft der Vorwurf der Lethargie gemacht wird.
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