Christian Wulff hat Vertrauen verspielt
Bundespräsident Christian Wulff kämpft um seine Glaubwürdigkeit. Dabei stören ihn jedoch immer neue Details zur fragwürdigen Rolle seines langjährigen Sprechers Olaf Glaeseker.
Berlin „Typisch deutsch?“ Bundespräsident Christian Wulff sitzt auf der Bühne des „Berliner Ensembles“ am Schiffbauerdamm, dem Theater des Augsburger Dramatikers Bert Brecht, um sich den Fragen von Zeit-Herausgeber Josef Joffe zu stellen. Eigentlich soll es um die Deutschen, ihre Identität und ihre Rolle in Europa gehen, der Termin steht lange fest. Doch auch an diesem Sonntag kommt der Bundespräsident nicht an den Fragen vorbei, die ebenfalls „typisch deutsch“ sind, aber doch ganz anders, als es Wulff lieb sein kann, betreffen sie doch ihn persönlich, seine Vergangenheit, seine Geldgeschäfte, seine Freundschaftsdienste sowie mögliche Verfehlungen im Amt als niedersächsischer Ministerpräsident.
Bert Brecht, dem Schöpfer des dialektischen Theaters, hätte der Auftritt gefallen. Der Mächtige steht alleine auf der Bühne, ohne die Insignien der Macht, und muss sich wegen allzu menschlicher Verfehlungen rechtfertigen. So räumt der erste Mann im Staate ebenso zerknirscht wie reumütig ein, dass er Vertrauen verloren habe, das er nun zurückgewinnen müsse. Dennoch wolle er Bundespräsident bleiben.
Ausdrücklich nimmt Wulff seinen früheren Sprecher und langjährigen engsten Vertrauten, seinen Freund und Berater Olaf Glaeseker in Schutz, den er zwei Tage vor Weihnachten ohne Angabe von Gründen entlassen hat und gegen den die Staatsanwaltschaft in Hannover wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. „Auch für Glaeseker gilt die Unschuldsvermutung. Das ist eine zivilisatorische Errungenschaft“, sagt der Präsident. Gleichwohl räumt er mit besorgter Miene ein, der Vorwurf, das Land Niedersachsen habe die ausdrücklich als privat finanzierte Veranstaltungsreihe "Nord-Süd-Dialog" finanziell gefördert, müsse aufgeklärt werden. „Das ist ein ernster Vorgang, der zu Recht jetzt vermutlich vom Staatsgerichtshof geklärt werden wird.“
Immer neue Vorwürfe kommen ans Licht, die nicht nur Wulffs früheren Sprecher Glaeseker, sondern auch den damaligen Chef der niedersächsischen Staatskanzlei und heutigen Chef des Bundespräsidialamtes, Staatssekretär Lothar Hagebölling, belasten. Ihm wird vorgeworfen, den Landtag belogen zu haben. Hagebölling erklärte in einer schriftlichen Antwort auf eine Anfrage der SPD vom 14. April 2010, dass die Staatskanzlei nicht an der Organisation oder Finanzierung des „Nord-Süd-Dialogs“ beteiligt gewesen sei. Tatsächlich wurden jedoch 800 Kochbücher verteilt, für die das Landwirtschaftsministerium 3411,16 Euro bezahlte. Pikant: Mitautorin des Buches war Glaesekers Ehefrau Vera.
Und, anders als die Anwälte von Christian Wulff dargestellt haben, hat Olaf Glaeseker in seiner Eigenschaft als Staatssekretär offensichtlich doch persönlich Sponsorengelder für den „Nord-Süd-Dialog“ des Eventmanagers Manfred Schmidt eingesammelt. Das sollen E-Mails belegen. Im Gegenzug durfte er mehrfach kostenlos Urlaub in Schmidts Luxus-Ferienhäusern in Südfrankreich und Spanien machen, zudem soll er in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vermittlung von Schmidt kostenlos mit Air Berlin geflogen sein, unter anderem in die Türkei und nach Mallorca. Schmidt besaß die exklusive „Counter Card Premium Plus“ der Fluggesellschaft, mit der er weltweit kostenlos Flüge buchen konnte, auch für Familie und Freunde.
Die niedersächsische SPD zieht aus all dem die Konsequenz und will Christian Wulff vor dem Verfassungsgericht des Landes verklagen, da er das Parlament in seiner Amtszeit falsch über die Finanzierung des „Nord-Süd-Dialogs“ informiert habe. SPD-Fraktionschef Stefan Schostok will dabei nicht ausschließen, die Klage auch auf die aktuelle Regierung auszuweiten, da Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) noch am Donnerstag im Landtag eine finanzielle Beteiligung des Landes abgestritten hat.
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