
Plagiatsexperte über Baerbock: "Habe nicht den riesigen Skandal gesehen"


Die Plagiatsvorwürfe gegen Annalena Baerbock bestimmen derzeit den Wahlkampf. Der Juraprofessor Gerhard Dannemann spricht im Interview über die Methoden der Plagiatoren und der Gutachter.
Herr Dannemann, aktuell gibt es große Diskussionen um Passagen im Buch von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die sie abgeschrieben haben soll. Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Plagiaten. Wie bewerten Sie die Anschuldigungen?
Gerhard Dannemann: Eines vorweg: Ich habe das Buch nicht gelesen. Grundsätzlich gilt, dass das Buch von Frau Baerbock kein wissenschaftlicher Text ist. Es gelten also nicht die wissenschaftlichen Maßstäbe, sondern sie muss sich vor allem an das Urheberrecht halten. Nach meinem Verständnis sind viele Anschuldigungen eher auf der harmlosen Seite. Einige Passagen sind aber auch problematisch. Da hätte ich persönlich Anführungszeichen gesetzt. Wir befinden uns in einem problematischen Bereich, ich habe aber im Gegensatz zu anderen nicht den riesigen Skandal gesehen und ich glaube auch nicht, dass jemand wegen einer Urheberrechtsverletzung Klage erheben wird.
Ab wann spricht man überhaupt von einem Plagiat?
Dannemann: Es gibt eine ständige Rechtssprechung dazu, was in einer Doktorarbeit vorliegen muss, damit einem der Titel entzogen werden kann. Entweder muss es mehrere kritische Passagen geben, wobei hier die Grenze niedriger ist als viele meinen. Oder es sind einzelne, aber ganz zentrale Aspekte der Arbeit plagiiert - zum Beispiel die Forschungsfrage und die Schlussfolgerung. Dass man mal eine Fußnote vergisst, das passiert, das ist wahrscheinlich auch mir schon passiert.

Werden Plagiate rein zufällig aufgedeckt oder gibt es Menschen, die gezielt nach Plagiaten suchen?
Dannemann: Es gibt Leute, die davon leben, nach Plagiaten zu suchen. Aber wenige. Ich bin im VroniPlag Wiki tätig, wir untersuchen ehrenamtlich wissenschaftliche Arbeiten. Manche bei uns stolpern über eine Arbeit und beginnen dann nachzuforschen. Wir haben einen im Team, der spezialisiert darauf ist, Doktorarbeiten gegeneinander abzugleichen. Einer interessiert sich vor allem für Plagiate von Politikerinnen und Politikern. Die Motivation der meisten ist aber die Wissenschaft, deshalb geht es ihnen vor allem um Wissenschaftsplagiate. Es gibt aber auch einen anonymen Briefkasten. Gibt es darin Meldungen mit einem begründeten Verdacht, wird sich wahrscheinlich ein Mitarbeiter darum kümmern. Wenn da jedoch etwas drinsteht wie "dieser Mensch ist böse, der hat bestimmt abgeschrieben", dann landet das im Mülleimer.
Die Arbeiten von Prominenten und Nicht-Prominenten werden also gleichbehandelt?
Dannemann: Ja, die Maßstäbe sind die gleichen. Wie gesagt: Es gibt noch einen Mitarbeiter im Wiki, der sich vor allem für Plagiate von Politikerinnen, Politikern und Prominenten interessiert, aber von unseren 211 Dokumentationen sind 56 Wissenschaftsplagiate. Bei 18 Fällen ist die Parteizugehörigkeit des Autors bekannt, das können aber auch Kommunalpolitiker sein.
Mit welchen Methoden untersuchen Sie, ob ein Plagiat vorliegt?
Dannemann: Die beste Methode ist, ein paar Stichwörter einer Passage herzunehmen, die in der Kombination selten sind, und sie in eine Suchmaschine einzugeben. Damit kann man sogar Übersetzungsplagiate erkennen. Oder man sucht die wörtliche Abfolge der letzten Wörter eines Satzes und der ersten Wörter des nächsten Satzes. Es ist schon sehr unwahrscheinlich, dass Satzende und der nächste Satzanfang in zwei Texten zufällig identisch sind. Für Plagiatsprüfungen gibt es zwar spezielle Software, die beispielsweise an Universitäten verwendet wird, aber man erhält viele falsch positive und falsch negative Treffer. Auch die beste Software findet bei Weitem nicht alles. Deswegen gibt es einen Kampf zwischen Universitäten und Plagiierenden.
Studierende haben wahrscheinlich einige Tricks...
Dannemann: Ja, ich staune manchmal, wie viel Arbeit sie investieren, die an anderer Stelle sinnvoller gewesen wäre. Zumal die Regeln, wie man richtig zitiert, einfach sind. Da braucht es keine intellektuelle Leistung. Manche verwenden zum Beispiel das kyrillische N, das geschrieben aussieht wie das lateinische H. Oder sie setzen Anführungszeichen um kopierte Texte, aber färben diese Zeichen weiß. Die Software denkt dann: "Prima, hier sind Anführungszeichen, hier wurde also richtig zitiert." Der Gutachter sieht nicht die Anführungszeichen und denkt, hier wurde eigenständig formuliert.

Der wohl bekannteste Plagiatsfall ist noch immer der Fall Guttenberg aus dem Jahr 2011. Hat sich seitdem etwas verändert?
Dannemann: Das Spannende ist ja: Ich dachte eigentlich, dass sich nach dem Fall Guttenberg unsere Arbeit selbst überflüssig macht. GuttenPlag Wiki hat der Weltöffentlichkeit gezeigt, dass ein solches Plagiat gut darstellbar und leicht aufspürbar ist. Ich dachte, die Menschen sehen das ein und plagiieren künftig seltener. Das ist aber nicht so. Plagiate sind nichts Neues, im 19. Jahrhundert wurden massenhaft Doktortitel gekauft und die Universität Jena hat mehr Doktortitel ausgestellt als Berlin, München und Heidelberg zusammen. In Zeiten von Copy und Paste ist es aber viel einfacher geworden, zu plagiieren.
Zur Person: Gerhard Dannemann, 62, ist Rechtswissenschaftler. Er lehrt an der Humboldt-Universität in Berlin und beteiligt sich zudem an VroniPlag Wiki, in dem Hochschularbeiten auf Plagiate überprüft werden.
Die Diskussion ist geschlossen.
Bei der Person Baerbock geht es weniger um einen einzelnen Fall, sondern das große Gesamtbild.
Eine ganze Kette von vermeintlichen „Kleinigkeiten“, erst Probleme bei Publikationen, dann Lügen im Lebenslauf und jetzt Plagiatsvorwürfe.
Einzeln betrachtet vielleicht kein großer Deal, aber wenn alle paar Wochen neues ans Tageslicht kommt und Baerbock statt Verantwortung zu übernehmen versucht einen Schuldigen zu finden, dann ist diese Person für mich absolut Unglaubwürdig.
Wenn die Alternative allerdings der Notenfälscher Armin Laschet ist, könnte das Parteiprogramm für die Wahlentscheidung den Ausschlag geben und weiter mit Merkel 2.0 täte Deutschland sicher nicht gut.
Die Plagiatsvorwürfe mögen im Vergelich mit den globalen Themen Peanuts sein, aber das ist nicht der Punkt. Wer sich für das zweithöchste Amt in Deutschland bewirbt sollte eine bestimmte Integrität und Intelligenz vorweisen können.
Wenn ich alle wichtigen Gedanken in meinem Buch irgendwo abgekupfert habe, meinen Lebenslauf deutlich friesiert habe und auch noch eine gewissen Arroganz gegenüber deutlich besser gebildeten Parteikollegen (Habeck, der Schweinehirte) an den Tag lege habe ich mich charakterlich für dieses Amt disqualifiziert.
Wer das nicht sehen will leidet vermutlich an einer Rot-Grün Sehschwäche.
Die Vorwürfe haben ihren Zweck erfühlt. Und dank der Medien , auch die AA, wurde ein großer Skandal draußen gemacht. Respekt!