Staatsekretär Uwe Feiler im Interview: Ist Bayern Vorreiter in Sachen Agrarwende?
Exklusiv Agrarstaatssekretär Uwe Feiler erzählt im Interview, wie in Deutschland eine Agrarwende ohne "öko" gegen "konventionell" gelingen kann.
Herr Feiler, Ministerpräsident Söder verlangt eine Agrarwende nach bayerischem Vorbild. Kleine Betriebe und kleinere Schlachthöfe statt Agrarkonzernen lautet sein Ansatz. Ist das ein realistischer für ganz Deutschland?
Uwe Feiler: Viele Menschen wollen regionale Lebensmittel. Dafür braucht es eine flächendeckende Landwirtschaft, den Hof in der Region. Das muss für unsere Bauern aber auch rentabel sein. Wir brauchen wieder mehr dezentrale Strukturen, beispielsweise durch eine Regionalisierung der Schlachthöfe. Im Bereich des Schlachthandwerks spielt dabei natürlich auch die Frage der Wettbewerbsfähigkeit eine wichtige Rolle. Das haben wir im Blick.
Wir fördern bereits heute handwerkliche Betriebe – im Bereich der Schlachtung ist die Förderung sogar explizit auf kleine Unternehmen begrenzt. In den süddeutschen Ländern sind noch zahlreiche familiengeführte Metzgerbetriebe auch für die Schlachtung zugelassen. Das Lebensmittelhygienerecht bietet hierfür so flexible Lösungsmöglichkeiten, dass der Zulassung keine unerfüllbaren Hürden entgegenstehen. Diese Spielräume gilt es zu nutzen.
Sorgt ein Umbau der Haltung für mehr Tierwohl?
Hat Söder nicht recht damit, dass wir uns hierzulande von Massentierhaltung und riesigen Schlachthöfen verabschieden sollten?
Feiler: Jeder konstruktive Vorschlag für eine Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland ist zu begrüßen. Ich sehe da aber auch noch Baustellen: denken wir nur einmal an die Diskussion um den sogenannten vierten Weg bei der Ferkelkastration, in die sich Stimmen aus Bayern sehr energisch einbringen. Der bayerische Bauernverband beispielsweise drängt darauf, den vierten Weg, also die Kastration unter Lokalanästhesie zuzulassen. Das ist nach dem Tierschutzgesetz ab dem 1.1.2021 nicht mehr zulässig, weil die Lokalanästhesie nur eine Schmerzlinderung und keine –ausschaltung sicherstellt.
Wir wollen die Tierhaltung umbauen – hin zu mehr Tierwohl und gemeinsam mit den Landwirten – für eine moderne Tierhaltung in Deutschland von der die Landwirte auch leben können müssen. Hieran arbeiten wir als Bundesregierung bereits. Wir starten nicht bei Null, sondern haben bereits eine ganze Reihe an Maßnahmen auf den Weg gebracht – vom Ausstieg aus dem Kükentöten über das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration bis hin zum staatlichen Tierwohlkennzeichen. Wir nehmen auch viel Geld in die Hand: 300 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket gibt es für den Umbau zu tierwohlgerechten Ställen. Und wir prüfen eine Tierwohlgabe. Wir können aber auch nicht einfach von heute auf morgen den Hebel umlegen. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sichern wir nicht mit schnellen Schlagzeilen, sondern nur mit tragfähigen Konzepten.
Landwirte brauchen Unterstützung beim Naturschutz
Beim Blick nach Bayern fällt auf, dass auch in den vergangenen Jahrzehnten dort viele kleine Höfe verschwunden sind. Macht sich der Ministerpräsident die Lage besser als sie ist?
Feiler: Natürlich vertritt jeder Ministerpräsident das beste Bundesland. Diese Vielfalt macht Deutschland ja auch stark. Wir sind mit Sicherheit auf dem richtigen Weg. Aber den Eindruck zu erwecken, in Bayern wäre alles schon erledigt und die anderen 15 Bundesländer müssten jetzt nur noch nachziehen, halte ich nicht für richtig. Ein wichtiger Punkt: die Verhandlungen der Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik, die wir in unserer Ratspräsidentschaft nach vorne bringen wollen. Mit der neuen GAP wird es einen Systemwechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit geben. Das entspricht auch den gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft der Zukunft. Wir muten unseren Landwirten viel zu. Deshalb dürfen wir sie mit den ambitionierten Anforderungen an mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit nicht allein lassen. Wir wollen gerade auch die familiengeführten Bauernbetriebe stärken. Und dürfen sie nicht durch überzogene Forderungen in die Knie zwingen.
Lässt sich der Trend zu größeren Einheiten in der Landwirtschaft überhaupt stoppen oder müssen wir uns daran gewöhnen, dass Bullerbü Vergangenheit ist?
Feiler: Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner hat es auf den Punkt gebracht: Mit einer Landwirtschaft nach Bullerbü werden wir die wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren können.
Im Übrigen ist kleiner auch nicht immer besser. Denken wir beispielsweise an die sogenannte Anbindehaltung. Dabei werden Rinder saisonal oder sogar das gesamte Jahr mittels Anbindevorrichtungen, zum Beispiel Ketten oder Halsrahmen, an einem Stallplatz fixiert. Der überwiegende Teil der Tiere, die in Anbindehaltung gehalten werden, sind Milchrinder und steht in kleineren Betrieben mit Schwerpunkt in Süddeutschland. Eine ganzjährige Anbindehaltung von Rindern führt auch bei sehr gutem Management zu deutlichen Einschränkungen im Tierverhalten. Mittelfristig müssen wir davon wegkommen. Wir haben mit den Ländern vereinbart, dass wir darüber sprechen und Vorschläge erarbeiten.
Klar ist aber auch: Es geht nicht um "klein" gegen "groß" oder "öko" gegen "konventionell". Das müssen wir zusammendenken: für eine ehrliche Zukunftsperspektive für die Landwirtschaft in Deutschland.
Zur Person: Uwe Feiler ist seit Ende 2019 Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. Der CDU-Politiker sitzt seit 2013 im Bundestag. Er stammt aus Winsen in der Nähe von Hamburg, ging aber nach der Wiedervereinigung in die neuen Länder.
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