Iran: Mussawi zum Märtyrer-Tod bereit
Hamburg/Teheran (dpa) - Der iranische Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi lässt sich auch von Todesdrohungen nicht einschüchtern. Er zögere nicht, sein Leben für die Rechte der Iraner zu opfern, sagte der Hoffnungsträger der Reformbewegung in einer auf seiner Internetseite verbreiteten Erklärung.
Nach den staatlich organisierten Massenaufmärschen von Regierungsanhängern am Mittwoch verstärkte die Regierung unterdessen den Druck auf ihre Gegner. Gepanzerte Armeefahrzeuge rollten durch die Straßen Teherans, berichteten der Opposition nahestehende Internetseiten. Die Verhaftungswelle laufe weiter, hieß es.
In der Hauptstadt Teheran kam es anlässlich der Beisetzung eines bei den Unruhen getöteten Neffen Mussawis am Donnerstag erneut zu sporadischen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten. Ali Mussawi war zusammen mit sieben weiteren Demonstranten am 27. Dezember bei Ausschreitungen zwischen Polizei und Anhängern der Reformbewegung getötet worden. Die Zusammenstöße bei Protesten anlässlich des religiösen Aschura-Festes waren die schwersten seit Beginn der Demonstrationen gegen die von Betrugsvorwürfen überschattete Wiederwahl Ahmadinedschads im vergangenen Juni.
Über Mussawis Aufenthaltsort herrschte zuvor Verwirrung, nachdem die staatliche Nachrichtenagentur IRNA wiederholt berichtet hatte, er sei zusammen mit Oppositionspolitiker Mehdi Karrubi in den Norden nach Salman geflohen. Auf Mussawis Internetseite wurde das am Freitag dementiert: Der frühere Regierungschef sei weiterhin in Teheran.
Ihn oder andere Oppositionsführer zu töten oder einzusperren werde die Lage nicht beruhigen, erklärte Mussawi, der sich erstmals seit Sonntag wieder zu Wort meldete. Ohne auf den Tod seines Neffen einzugehen, sagte er: "Ich werde nicht davor zurückschrecken, einer der Märtyrer für die religiösen und nationalen Rechte zu werden." Nach Angaben seiner Familie starb der Neffe durch eine Kugel im Rücken. Die Behörden weisen das zurück. Anhänger des erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad hatten die Verhaftung Mussawis und Karrubis gefordert. Einige verlangten sogar ihre Hinrichtung.
Mussawi forderte Regierung, Justiz und Parlament auf, zur Lösung der innenpolitischen Krise die Verantwortung für die Lage zu übernehmen. Das Land brauche ein neues Wahlgesetz, das demokratische Wahlen garantiere. Gleichzeitig verlangte er, politische Gefangene müssten freigelassen und die Presse- und Demonstrationsfreiheit respektiert werden. Die Opposition sei zu Verhandlungen bereit - für eine Lösung der Krise sei es nicht zu spät.
Nach Angaben von Mussawis Internetseite Dscharas waren in Teheran mindestens ein Dutzend Militärfahrzeuge mit Hunderten von Sicherheitskräften unterwegs. Da die freie Berichterstattung durch die Pressebeschränkung unmöglich ist, ließ sich das nicht überprüfen. Internetseiten der Opposition berichteten am Freitag, in Maschad im Nordosten des Landes seien binnen zwei Tagen 210 Studenten festgenommen worden. Einige oppositionelle Studenten dort seien von radikalen Regierungsanhängern angegriffen worden. Dabei wurden demnach zwei Frauen durch Stiche schwer verletzt.
Beim Freitagsgebet forderte Ajatollah Ahmad Dschannati, der Chef des senatsähnlichen Wächterrats, die Justiz solle rechtlich gegen die Oppositionsführer vorgehen. Alle wegen der Demonstrationen einsitzenden Verdächtigen müssten hinter Gittern bleiben, damit sie "ihr teuflisches Tun nicht fortsetzen", sagte er in Teheran.
Nachdem die Regierung am Vortag landesweit bei Kundgebungen Hunderttausende Menschen für sich mobilisiert hatte, kam es am Donnerstag in Teheran zu neuen Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften. Mussawis Anhänger berichteten, dass Polizisten im Zentrum Tränengas gegen Demonstranten einsetzten. Auch an der Universität gab es Zusammenstöße. Es soll Dutzende Festnahmen gegeben haben. Auf einem Friedhof im Süden Teherans versammelte sich Hunderte Trauernde am Grab von Ali Mussawi. Dabei soll es zu Handgreiflichkeiten mit Sicherheitskräften gekommen sein. Mussawis Neffe war am Vortag in aller Stille beigesetzt worden.
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