
2017 entscheidet über das Schicksal der Europäischen Union

Eine Krise nach der anderen - und keine im Griff. Der Anfang vom Ende eines großartigen Friedensprojekts? Ein schicksalhaftes Jahr für die Europäische Union.
Die Europäische Union, die schon seit Jahren von Krise zu Krise taumelt, geht noch unruhigeren Zeiten entgegen. Die Vokabel vom „Schicksalsjahr“ mag eine Spur zu dramatisch klingen – irgendwie geht es ja in der Politik wie im richtigen Leben immer weiter. Aber 2017 steht für Europa zweifellos eminent viel auf dem Spiel. Und selbst wenn es – wonach es ja zum Glück aussieht – den Demokraten Frankreichs gelingen sollte, die rechtsradikale Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen von der Macht fernzuhalten und damit den sofortigen Kollaps der EU abzuwenden, so droht doch der Anfang vom Ende dieses großartigen Friedens- und Wohlstandsprojekts.
Jedenfalls dann, wenn die politischen Eliten Europas die Lektionen der vergangenen Jahre nicht endlich beherzigen und gemeinsam jene Probleme anpacken, die nur gemeinsam zu lösen sind. Ohne einen Neustart, der die zunehmend EU-skeptischer werdenden Bürger des alten Kontinents von der Handlungsfähigkeit und Unverzichtbarkeit der EU überzeugt, ist Europa zum schleichenden Niedergang und zum Rückfall in die Kleinstaaterei verurteilt.
Europa hat nur eine gute Zukunft, wenn es seine Kräfte bündelt
Der Ausstieg Großbritanniens war ein – noch nicht wirklich ernst genommenes – Menetekel an der Wand. Spätestens jetzt sollte doch jedem verantwortlichen Staatsmann in Brüssel, Berlin oder Rom klar sein, dass die lange Erfolgsgeschichte der EU keine Überlebensgarantie beinhaltet. Es genügt nicht mehr, in pathetischen Reden die „Alternativlosigkeit“ der Union nach dem Motto Krieg oder Frieden zu beschwören. Mit dieser schönen Erzählung allein ist das Vertrauen der Menschen in die Institutionen nicht zurückzugewinnen. Die Parolen antieuropäischer Parteien, die ein besseres Leben hinter nationalen Mauern und Schutz vor globalisierten Märkten verheißen, sind blanker Unfug.
Europa hat nur eine gute Zukunft, wenn es seine Kräfte bündelt. Die meisten Europäer wissen das und schlucken den Verdruss hinunter – den Frust über den Brüsseler Zentralismus und über eine Politik, die gerne über die Köpfe der Parlamente und Bürger hinwegregiert. Aber sie wollen, dass die EU ihre Aufgaben erledigt und die Dinge voranbringt. 2016 ist viel zu wenig vorangegangen. Eine Krise nach der anderen, und keine auch nur annähernd im Griff.
Die Europäische Union: zerstritten, unsolidarisch, konzeptlos
Im Umgang mit der Masseneinwanderung präsentiert sich die EU zerstritten, unsolidarisch und konzeptlos. Die unter dem Bruch von Verträgen betriebene Euro-Rettung samt der Alimentierung überschuldeter, reformunwilliger Staaten wird zur unendlichen Geschichte. Ohne die Geldschwemme Draghis, die Erspartes dahinschmelzen lässt, wären etliche Staaten und Großbanken längst pleite. Oder: Terroristen können kreuz und quer durch Europa reisen, weil der Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden nicht funktioniert. Und wie will ein so schwaches, sicherheitspolitisch blauäugiges Europa vor seiner Haustür nach dem Rechten sehen und dem Druck Putins standhalten, wenn Trump die schützende Hand der USA tatsächlich wegziehen sollte?
Es ist tragisch, dass die EU in diesen stürmischen Zeiten, in denen sie dringend gebraucht wird, in einer so schlechten Verfassung ist. Noch hat es Europa in der Hand, den Selbstzerstörungsprozess aufzuhalten. 2017 kommt es darauf an, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Es sollte doch möglich sein, wenigstens außenpolitisch (und gegen den Terror) zusammenzustehen, die Flüchtlingskrise gemeinsam zu entschärfen und die eigenen Schulden-Richtlinien einzuhalten. Damit wäre schon viel gewonnen – und Zeit für einen EU-Umbau mit dem Ziel, eine bessere, bürgerfreundlichere Balance zwischen den Nationalstaaten und der Union zu finden.
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