Der frühere AfD-Chef Bernd Lucke wird in Hamburg von Studenten niedergebrüllt. Wann haben wir eigentlich verlernt, andere Meinungen auszuhalten?
Bernd Lucke ist ein Mann, über den sich streiten lässt. Der Wirtschaftsprofessor hat eine Partei gegründet, die (auch) zum Sammelbecken für Europa-Hasser, Rechtsextremisten und Antisemiten wurde. Eine Partei, die den Ton in der politischen Debatte vergiftet hat. Er hat zu spät gesehen oder sehen wollen, dass er damit geholfen hat, "ein Monster zu schaffen", wie Hans-Olaf Henkel, ein Mitstreiter der ersten Stunde, später sagte. Über all das ließe sich mit ihm streiten. Doch das wollten die Studenten ja gar nicht, die Luckes Rückkehr an die Hamburger Universität nun ins Chaos stürzten.
Der 57-Jährige wird niedergebrüllt und körperlich bedrängt, er wird mit Papierkugeln beworfen und verlässt am Ende, ohne ein einziges Wort in Ruhe gesagt zu haben, den Hörsaal an der Seite von Polizisten (Proteste bei Rückkehr von Ex-AfD-Chef Lucke an Uni Hamburg). "Nazi-Schweine raus aus der Uni", skandieren ein paar hundert junge Leute, als Lucke sich ans Rednerpult stellt, um über Makroökonomie zu sprechen. Sie begeben sich damit auf jenes armselige Niveau, das sie Luckes einstiger Partei vorwerfen. Ja, der Professor behandelt politische Gegner bisweilen in einer schwer erträglichen, besserwisserischen Art. Er ist ein stockkonservativer, marktradikaler Euro-Gegner und ein Populist. Das alles ist aber nicht verboten.
Die AfD jagte Parteigründer Lucke davon
Mit dem Aufstieg des rechten Flügels in der AfD begann der Abstieg des Parteigründers. Die Geister, die er rief, hörten ihm am Ende nicht mehr zu und jagten ihn davon. Übrigens, nur zur Erinnerung an die AfD-Leute, die sich nun scheinheilig mit ihrem früheren Chef solidarisieren: Als Lucke zum letzten Mal auf einem Parteitag der Alternative für Deutschland sprach, wurde er von den eigenen Leuten ausgebuht und niedergepfiffen. Er verließ die Partei, als sie immer weiter nach rechts kippte. Das befreit ihn nicht von einer Mitverantwortung für deren Radikalisierung. Ein Nazi ist er trotzdem nicht.
Nüchtern betrachtet haben die Hamburger Studenten, angestachelt von der linksradikalen Antifa, mit ihrem Gegröle einem Mann, dessen Ansichten sie nicht teilen, das Recht auf freie Meinungsäußerung genommen. Nur wo soll denn ein offener, gesellschaftlicher Diskurs, wo soll das Ringen um die besten Argumente stattfinden, wenn nicht an unseren Universitäten? Der Eklat um Lucke bestärkt all jene populistischen Krakeeler, die behaupten, in Deutschland dürfe man ja gar nicht mehr seine Meinung sagen und werde immer sofort in die rechte Ecke gestellt. Welch ein Desaster.
Die AfD arbeitet konsequent daran, das Sagbare immer weiter nach rechts zu verschieben. Und es ist die Verantwortung eines jeden Einzelnen, der sich in der Mitte der Gesellschaft verortet, dagegenzuhalten. Doch der Kampf gegen Radikale rechtfertigt eben nicht alle Mittel. Lucke braucht kein Mitleid. Das Sprechverbot gegen ihn dürfen wir trotzdem genauso wenig schulterzuckend hinnehmen wie die Entgleisungen von Rechtsaußen. Dass der Hamburger Uni-Präsident und die Wissenschaftssenatorin den Aufruhr im Hörsaal zunächst als "diskursive Auseinandersetzung" bezeichneten, die man aushalten müsse, ist deshalb ein fatales Signal. Denn was soll das bitte für eine Auseinandersetzung sein, wenn eine Seite die andere daran hindert, zu sprechen? Wenigstens in einem zweiten Statement stellte die Wissenschaftsbehörde klar, es gehe nicht, "dass die Lehrveranstaltungen von Herrn Lucke niedergebrüllt werden".
Es geht darum, wenigstens zuzuhören
Wann haben wir eigentlich verlernt, andere Meinungen zu ertragen? Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die politische Auseinandersetzung immer weiter radikalisiert. Wohin das führt, lässt sich in den USA beobachten, wo der Präsident sich von einem Wutanfall zum nächsten twittert. Wo Spaltung längst zum alltäglichen politischen Instrument geworden ist.
Demokratie bedeutet gleiches Recht für alle – und nicht nur für die, deren Ansichten uns in den Kram passen. Es geht nicht darum, zuzustimmen. Es geht darum, zuzuhören. Und danach lässt sich immer noch streiten. Auch mit Lucke.
Die Diskussion ist geschlossen.
Das ist die Generation Friday-for-Future! Motto: Wir sind die Guten, wer nicht zu 100% auf unserer Seite steht, gehört zu den Schlechten.
Dem großen französischen Denker der Epoche der Aufklärung Voltaire wird (soll aber nicht belegt sein) die Aussage zugeschrieben:
"Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst."
Herr Lucke war und ist Professor an der Universität. Wird auch von ihr wieder bezahlt und hat Lehrverpflichtungen.
Es ist ehrenwert Herrn Lucke mit seinen absichtlichen oder unabsichtlichen politischen Fehlern zu konfrontieren. Da dürfen Studenten auch mal über die Stränge schlagen. Aber dann muss man ihn auch wieder seine Arbeit als Hochschulprofessor machen lassen.
Wenn er dort Widersprüche weckt, ist es ein normaler akademischer Prozess, ihm dort zu widersprechen.
Raimund Kamm
Für mich geht diese ausgedehnte Interpretation des Meinungsrechts deutlich zu weit. Eine Universität ist eine Bildungs- und Forschungseinrichtung die vom Staat aus Steuergeldern finanziert wird. Sie ist keine Meinungsplattform, dazu sind die div. Medien und Portale zuständig. Es kann also nicht sein, dass einem Mann wie Herrn Hucke hier eine Plattform zur Lehre und Verbreitung seiner kruden Ideen geboten wird. Das hat mit Meinungsfreiheit überhaupt nichts zu tun, sondern mit Missbrauch einer Lehrverantwortung. Wenn sich ein Lehrer im Gymnasium so verhalten würde, wäre seine Entfernung aus dem Lehrbetrieb ohne jede weitere Diskussion sofort erfolgt. Deshalb trägt für mich der Dekan der Universität die zentrale Verantwortung für diese Situation. Und die reflexhaftere Unterstellung, dass die StudentInnen von der linken Antifa angestiftet worden wäre, zeigt mir wie erzkonservativ der Kommentator versucht die Schuld bei anderen zu suchen. Die Augsburger Allgemeine hat eine andere Qualität verdient.
Wikipedia: Bernd Lucke ist ein deutscher Ökonom und Politiker. Er ist Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg.
Und Sie meinen wirklich, dass die Uni nicht der richtige Platz für den Vortrag eines Professors ist.
In der linken Ecke der Republik gilt eben genau die gleiche Ideologie wie in der Rechten ! Menschen anderer Meinung werden niedergebrüllt , bekämpft , verfolgt, vielleicht gar inhaftiert usw .
Wer aber wollte von den Linken , von den Sozialisten gar etwas Anderes erwarten ?
Schließlich hatten die Sozialisten in den letzten 100 Jahren ihre Art im Umgang mit den "Nicht-System-Kinformen" weidlich bewiesen - in der Sowjetunion, in der DDR , auf Kuba, in Somalia, in Nordkorea, in Vietnam ...Wo auch immer die Linke Ideologie die Staatsmacht stellte .
Vom ehemaligen (übrigens SPD-) Kanzler Helmut Schmidt stammt die richtige Analyse :
"Sozialisten sind nur rot lackierte Faschisten !"
Die Hamburger (linken) Studenten haben Helmut Schmidt bestätigt ( obwohl sie wohl kaum wissen dürften, wer Helmut Schmidt war )!
Hinweis der Moderation: Sie zitieren hier Helmut Schmidt, der diesen Satz jedoch so nicht gesagt hat, wie Sie es in Ihrem Kommentar behaupten.. Vielmehr hatte Helmut Schmidt einst selbst Kurt Schuhmacher zitiert, welcher gesagt haben soll, die "Kommunisten seien nur rot lackierte Faschisten". https://www.zeit.de/1990/05/ein-grosses-vorbild
Wenn Sie Zitate wiedergeben, dann bitte richtig und der richtigen Person zugeordnet.
Kurt Schumacher war auch führender SPD´ler...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Schumacher
So schaut's doch wohl aus. Angebliche Menschenfreunde und Demokratieverteidiger, die zu solchen Mitteln greifen, sind doch selbst kein bisschen besser. Aber ich habe auch schon im privaten Umfeld Menschen erlebt, die dieselben Anwandlungen zu rechtfertigen versuchen, die sie ihren Gegnern vorwerfen. Anscheinend heiligt der Zweck die Mittel selbst dann, wenn man sich eigentlich (vorgeblich) gegen genau diese Ansichten, Mittel und Methoden wendet, die man dabei zeigt.
Es muss nicht immer Religion, Herkunft oder Hautfarbe sein. Man kann Menschen auch problemlos aufgrund ihrer Ansichten diskriminieren. Diejenigen, die z. B. den Realsozialismus erlebt haben, wissen genau, was ich meine. Es ist dabei aber völlig egal, in welche Richtung Ansichten zeigen. Es ist schlicht ein No-Go, sich auf dasselbe Niveau wie Nazis, Kommunisten-Kader und andere Meinungs-Unterdrücker zu begeben, wenn man angeblich doch so dagegen ist, was gewisse Kreise von sich geben.
Wer einem Menschen schon die Kommunikation zu ganz anderen Themen quasi verbietet, ist genau so ein *zensiert*, wie er vorgibt, anzugehen. Was käme jenen Aktivisten denn recht? Lucke einzuknasten, wegen seiner politischen Ansichten? Das hatten wir im dritten Reich auch schon mal, nur waren die Ansichten andere.